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Filmkritk: "Rush – Alles für den Sieg"

Niki und James

Die Formel 1 ist eine der letzten Macho-Sportarten auf diesem Planeten. Selbst wenn heute ein Milchgesicht wie Sebastian Vettel jahrelang die Meisterschaft beherrschen kann, ist die Mehrheit der Fahrer trotzdem noch von dem Schlag, der gerne seine Model-Freundinnen vorzeigt und Uhren mit dem Gewicht einer Kanonenkugel am Handgelenk trägt. Dabei hat sich der Sport gewandelt und ist vor allem längst nicht mehr so gefährlich wie früher. Nicht zuletzt dank massiver Proteste der Fahrer und Rennteams sind die Strecken erheblich sicherer geworden, und auch die Fahrzeuge sind heute so konstruiert, dass sie dem Insassen auch bei einem Crash mit 300 km/h maximalen Schutz bieten.

In den 70er Jahren sah das noch anders aus. Damals starben im Schnitt zwei Fahrer pro Saison, und bei einem Rennen gab es für jeden von ihnen eine zwanzigprozentige Wahrscheinlichkeit, dass er verunglücken würde. Eins der Verdienste von "Rush", dem neuen Film von Ron Howard ("Apollo 13"), ist, dass er zeigt, wie die Fahrer damals mit ihrem Macho-Gehabe ihre ständige Angst überdeckten. Das Steuern eines Rennwagens erforderte viel Mut und zog einen ganz bestimmten, nach außen hin sehr selbstsicheren und oft großspurig auftretenden Männertyp an.

James Hunt, im Film gespielt von Chris "Thor" Hemsworth, war ein archetypischer Vertreter dieses Typs. Mit seiner großen, kräftigen Figur, den markanten Gesichtszügen und den langen, blonden Haaren sah er aus wie jemand, der dem Tod ins Gesicht blickt und dabei noch grinsend einen Spruch ablässt. Er war beliebt bei den anderen Fahrern und bei den Frauen, und er genoss es. Er machte gern Party, trank gern und viel und rauchte. Und er war ein hervorragender Rennfahrer. Sein stärkster Konkurrent war Niki Lauda, der nahezu das genaue Gegenteil darstellte. Daniel Brühl ("Good Bye Lenin!") spielt ihn als selbstbezogenen, überheblichen Außenseiter, mit einer beinahe schon autistischen Unfähigkeit und vielleicht auch dem Unwillen, sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Lauda war in der Formel-1-Community extrem unbeliebt, nahm das aber als Preis für seine, wie er meinte, professionelle Berufsauffassung hin. Hunt und Lauda waren sich bereits in der Formel 3 begegnet. Nach ihrem nahezu zeitgleichen Aufstieg in die Formel 1 verschärfte sich der Konflikt zwischen ihnen.

"Rush" zeigt den Weg der beiden Fahrer bis zur Saison 1976 und konzentriert sich dabei auf Lauda. Er war 1975 mit Ferrari zum ersten Mal Weltmeister geworden, während sich der Rennstall des unterlegenen Hunt zum Schluss der Saison aufgrund finanzieller Probleme aus der Formel 1 zurückziehen musste. Im folgenden Jahr wechselte Hunt zu McLaren, doch bei den ersten Rennen lag zunächst wieder Lauda vorn. Dann kam am 1. August 1976 der Unfall auf dem Nürburgring, bei dem Niki Lauda 40 Sekunden lang hilflos eingeklemmt in seinem brennenden Auto saß. In den folgenden Wochen gewann Hunt Rennen um Rennen, während Lauda im Krankenhaus in Mannheim mit dem Tod rang. Doch bereits nach 42 Tagen kam er mit verbranntem Gesicht und blutigen Verbänden zurück, und die Entscheidung über die Weltmeisterschaft wurde noch einmal aufgeschoben bis zum letzten Rennen der Saison in Japan.

Die Geschichte ist perfekt für einen spannenden Spielfilm, Drehbuchschreiber Peter Morgan ("The Queen") musste nicht viel daran verändern. Der Film setzt voll auf die Darstellung der beiden gegensätzlichen Charaktere. Er erzählt eine Episode aus der Formel 1, aber er würde auch funktionieren, wenn es die Geschichte zweier Tennisspieler wäre. Es sind zwei sehr verschiedene Charaktere, die hier aufeinandertreffen, zwei Männer, die in ihrem Sport absolute Ausnahmetalente darstellen. James Hunt, dem sein Leben lang scheinbar alles zugeflogen ist, gegen Niki Lauda, einen pedantischen Arbeiter, der seine Umgebung teilweise bis zur Weißglut reizt. Es gibt kein Gut und kein Böse in diesem Film, nur zwei unterschiedliche Berufsauffassungen, zwei mögliche Wege, zum Erfolg zu kommen. Es ist auch ein Film über die Formel 1, natürlich, aber in erster Linie handelt "Rush" von zwei Rennfahrern. Das macht ihn dann auch sehr emotional, wobei es Ron Howard zum Schluss hin vielleicht sogar einen Tick übertreibt.

Der Film versucht, die Atmosphäre der 70er Jahre an den Rennstrecken möglichst authentisch wiederzugeben. Die Bilder scheinen direkt aus jener Zeit zu stammen. Die Farben leuchten, das Bildmaterial weist eine deutlich sichtbare Körnung auf. Obwohl beide Effekte vermutlich erst bei der Nachbearbeitung entstanden, fühlt man sich in eine vergangene Zeit zurückversetzt. Es wird deutlich, dass die Geschehnisse längst Teil der Geschichte sind. Auch bei der Ausstattung hat man darauf geachtet, dass die Details stimmen. Die Rennwagen entsprechen dem Regelwerk der damaligen Zeit, bei den Boxenstopps dauert es eine halbe Ewigkeit, bis ein Reifen gelöst und durch einen neuen ersetzt ist. Es gibt eindrucksvolle Kameraeinstellungen von den Rennen, aus dem Cockpit, von der Seite ins Cockpit oder auch knapp über dem Boden mit Blick auf die Auspuffanlagen des Vordermanns. Der Film hat nur rund 40 Millionen Dollar gekostet. Offensichtlich hat man das Geld vor allem für ein originalgetreues Ambiente ausgegeben und beim Cast auf die ganz großen Namen verzichtet.

Chris Hemsworth ist kein schlechter Schauspieler, mit seiner Ausstrahlung jedoch auf eine relativ kleine Auswahl von Typen festgelegt. Die jedoch spielt er überzeugend, so auch den Sunnyboy James Hunt. Daniel Brühl hat da schon mehr Möglichkeiten, wirkt jedoch zu Anfang des Films noch etwas gehemmt. Sein österreichischer Akzent klingt jedoch bereits da sehr überzeugend. Je länger der Film dauert, desto besser wird er. In den Szenen nach dem Unfall spielt er sogar groß auf und zeigt, was für ein guter Charakter-Darsteller er ist. Für einen Oscar wird es vermutlich nicht reichen. Doch wahrscheinlich wird man ihn jetzt noch häufiger in großen Hollywood-Produktionen sehen. Die beiden Frauen, Olivia Wilde (die 13 aus "Dr. House") als Hunts schöne Frau Suzy Miller und Alexandra Maria Lara als Marlene Lauda, bleiben leider farblos.

Ich habe aus "Rush" viel gelernt über eine Saison, von der ich nicht viel mehr wusste, als dass Niki Lauda damals seinen Unfall hatte. Der Film beschreibt zudem recht gut die Formel-1-Szene der 70er Jahre, eine Übergangszeit zwischen den Pionierzeiten und den heutigen, von der Technik bestimmten Rennen. Wichtiger ist jedoch die spannende Geschichte zweier Fahrer, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten, und ihren jahrelangen Konkurrenzkampf.

"Rush – Alles für den Sieg" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Sonntag 06 Oktober 2013 um 22:51 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 19 Januar 2014 11:48

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