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Filmkritik: "Priest"

Der etwas andere Vampirfilm

Gute Vampirfilme zeichnen sich immer dadurch aus, dass sie dem Publikum einen sexuell attraktiven Obervampir präsentieren. Sei es Bela Lugosi in den 40er Jahren oder der damals noch nicht verknitterte Christopher Lee in den 50ern, sei es Robert Pattinson in den "Twilight"-Filmen oder, die weibliche Variante, Kate Beckinsale in "Underworld" – eiserne Regel und sozusagen mit Blut geschrieben ist, dass der untote Hauptdarsteller eine Mischung aus Lustversprechen und tödlicher Gefahr ist. Das macht den Reiz des Vampirs aus, Anziehung und Abstoßung, ein Widerspruch, der erst dann aufgelöst wird, wenn der Vampir gierig zubeißt und dabei sein wahres, hässliches Gesicht zeigt.

Leider sind Scott Charles Stewart, dem Regisseur von "Priest", seine Vampire weitgehend egal. Bei ihm sind sie nur bösartige Schmarotzer, die sich vorzugsweise auf allen Vieren fortbewegen, weder Augen noch Nase haben und sich durch einen glitschigen, nackten, grauen Körper und einen überdimensionalen Mund mit Fangzähnen auszeichnen. Ob sie so etwas wie Intelligenz besitzen, ist zweifelhaft. In "Priest" haben die Menschen sie in ein Reservat in der Wüste zurückgedrängt, wo sie eine Art Termitenbau hochgezogen haben und sich von ein paar wenigen Infizierten ernähren, die wahrscheinlich Blutaufbau-Präparate nehmen.

Der Krieg gegen die Vampire wurde offenbar in erster Linie von der Kirche geführt. Zu Anfang des Films wird uns erzählt, dass der Sieg erst durch den Einsatz der Priester gelang, einer Art katholischer Navy Seals, ausgebildet im Nahkampf und im Umgang mit den für Vampire tödlichen Wurfkreuzen. Die Priester sind leicht an einem auf Stirn und Nasenrücken tätowierten Kreuz zu erkennen. Nach Ende des Kriegs wurden sie von der Kirche entlassen und fühlen sich seither weitgehend überflüssig und schlecht behandelt. Die Kirche wiederum hat die Gelegenheit genutzt und einen totalitären Kirchenstaat aufgebaut, in dem einzig und allein das Wort des Klerus zählt.

Die Geschichte wird erzählt aus Sicht eines ehemaligen Priesters (Paul Bettany), der bis zum Schluss namenlos bleibt. Zu Beginn wird die Familie seines Bruders (Stephen Moyer, der Hauptdarsteller aus "True Blood") von Vampiren überfallen, die seine Frau (Mädchen Amick aus "Twin Peaks", lange nicht gesehen) umbringen und seine Tochter Lucy gefangen nehmen. Natürlich zieht der Priester los, um seine Nichte zu befreien. Von irgendwoher stoßen auch noch zwei Gehilfen dazu, die ihn bei dieser Aufgabe unterstützen. Später stellt sich heraus, dass seine Nichte tatsächlich seine Tochter ist, der Priester also ein Verhältnis mit seiner Schwägerin hatte. Scheint aber zwischen den Brüdern kein Problem zu sein. Der Satz "Lucy, ich bin dein Vater" fällt leider nicht.

Lucy ist allerdings nur ein Köder. Wir erfahren, dass die Vampire in Wirklichkeit den Krieg gegen die Menschen wiederaufnehmen wollen. Warum sie dazu den Priester in die Wüste gelockt haben, erfahren wir nicht. Stattdessen sehen wir einen rundum verdunkelten Zug voller Vampire in der prallen Mittagssonne durch die Wüste auf den Kirchenstaat zurasen. Eine extrem dämliche Idee, denkt man sich. Der Priester braucht nur ein paar Gleise in die Luft zu sprengen, und die Vampire, lichtempfindlich wie sie sind, sitzen in ihren Waggons in der Falle, Geisel Lucy hin oder her. Aber Logik ist nicht die Stärke dieses Films. So kommt es dann doch noch zum unvermeidlichen Showdown.

"Priest" ist ein kruder Genre-Mix aus Vampirfilm, Western und Science-Fiction. Das könnte trotzdem einen interessanten Film ergeben, wenn der Regisseur es nicht mit traumwandlerischer Sicherheit geschafft hätte, aus allen drei Genres ausgerechnet die interessanten Parts herauszuschneiden. So ist eine an den Haaren herbeigezogene Geschichte übrig geblieben, die von unglaubwürdigen Pappcharakteren bevölkert wird. Bezeichnend ist, dass im Abspann die Zahl der Beteiligten an den CGI-Effekten die Zahl der Darsteller um etwa das Zehnfache übersteigt. Allerdings sind Landschaften, Gebäude und Fahrzeuge grafisch eindrucksvoll gestaltet, Regisseur und CGI-Studios beweisen bis in die Details hinein eine beeindruckende visuelle Fantasie. Die von Wüstenstaub überzogenen Motorräder mit dem Düsenantrieb und der Nitro-Einspritzung, das Vampirnest, das aussieht wie der Turmbau zu Babel, die aggressiven Felsformationen – hier hat man ein paar Grafikern gestattet, sich mal richtig auszutoben. Die Filmeffekte jedoch sind nur Durchschnittsware. Ein paar Schockeffekte reißen den Zuschauer zwischendurch aus seiner Lethargie, insgesamt ist "Priest" jedoch eher unerfreulich. Hinzu kommt, dass der Film, als Vampirfilm ohnehin recht dunkel, überflüssigerweise auch noch in 3D umgearbeitet wurde, was die Innenraum-Passagen teilweise komplett absaufen lässt. Aber das ist dann auch schon irgendwie egal.

"Priest" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Donnerstag 12 Mai 2011 um 23:39 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 19:12

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