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Filmkritik: "Hell or High Water"

Zwei gegen die Bank

Am Anfang meint man, man habe es mit einem Bankräuber-Film zu tun, in der Tradition von "Butch Cassidy und Sundance Kid" oder auch "Bonnie und Clyde". Zwei maskierte Männer dringen frühmorgens in eine kleine Bankfiliale ein, kidnappen eine Angestellte und müssen dann warten, bis der Geschäftsführer eintrifft, denn nur er hat den Schlüssel zum Tresor. Dann fliehen sie mit ein paar Tausend Dollar in losen Scheinen, denn sie sind zu klug, um die registrierten, frischen Geldbündel mitzunehmen. Sofort nehmen sie sich die nächste Bank vor, auch hier erbeuten sie wieder ein paar Tausend. Und während ihrer Mittagspause überfällt einer der beiden noch eine dritte Bank, einfach weil es sich gerade anbietet.

Die beiden Männer heißen Toby und Tanner Howard und werden gespielt von Chris Pine und Ben Foster. Sie sind Brüder, doch sie haben sich für sehr unterschiedliche Lebenswege entschieden. Toby hat bisher von Gelegenheitsjobs gelebt, er ist geschieden und hat zwei Söhne, die bei ihrer Mutter wohnen. Tanner dagegen hat den größten Teil seines Lebens im Gefängnis gesessen, seit einem Jahr ist er wieder raus. Er ist es, der die ganzen kleinen Tricks kennt, die Sache mit den gebrauchten Scheinen, die Maskierung mit Skimasken und Overalls, ihre Fluchtfahrzeuge vergraben sie in zuvor ausgehobenen Gruben. Sie rauben lediglich die Filialen einer kleinen, lokalen Bank aus, um das FBI nicht auf den Plan zu rufen.

Der Schauplatz ist West-Texas, die Gegend um Lubbock. Nahezu jeder, der hier lebt, ist arm. In den winzigen Käffern in der Gegend gibt es nur Staub und Langeweile, noch nicht einmal eine Bar. Einmal sehen wir, wie Cowboys eine Herde Rinder über die Straße treiben, einer schimpft dabei über diesen Scheiß-Job. Die einzigen Industriebauten sind die Raffinerien der Ölgesellschaften, riesige, stumme Burgen. Es gibt Öl hier im Land, doch der damit erwirtschaftete Reichtum geht an den meisten Menschen vorbei.

Nach dem zweiten Bankraub werden zwei Texas Rangers geholt. Marcus Hamilton (Jeff Bridges) steht kurz vor der Pensionierung, er liebt seinen Job, er kennt und liebt das Land und seine Bewohner. Sein jüngerer Partner Alberto Parker (Gil Birmingham) ist ein Mischling, halb mexikanisch, halb indianisch, und Hamilton, der gerne und viel redet, lässt keine Gelegenheit verstreichen, um einen Mexikaner- oder Indianer-Witz oder eine Beleidigung loszulassen. Doch tatsächlich spürt man, wie gern die Beiden zusammenarbeiten. Als sie den ersten Tatort erreichen, wird ihnen sehr schnell klar, was hier läuft, und Hamilton erkennt das Muster hinter den Überfällen. Also legen sich die beiden Polizisten auf die Lauer und warten einfach nur ab.

"Hell or High Water" erzählt seine Geschichte sehr ruhig in langen Einstellungen. Er verteilt seine Sympathien gleichermaßen auf die Bankräuber wie auf die Ranger – ähnlich wie die örtliche Bevölkerung, die den Räubern zwar gerne einmal ein paar Kugeln hinterherschickt, auf der anderen Seite aber auch nur mäßigen Respekt vor den Ordnungshütern zeigt. Die Bösen sind hier eindeutig die Banken, die den Menschen nicht helfen, sondern ihnen lediglich das Land wegnehmen wollen. Das wissen die Einheimischen, die Howard-Brüder und nicht zuletzt auch die beiden Ranger.

Es geht in diesem Film weniger um die Überfälle als um die handelnden Personen, auf der einen Seite die beiden Brüder, auf der anderen die Polizisten. Nach und nach blättert Regisseur David Mackenzie die Vorgeschichte der Bankräuber auf und erklärt, warum sie in kurzer Zeit so viel Geld benötigen und ausgerechnet diese Bank überfallen. Es sind nicht die schlechtesten Gründe.

Der Film ist bis in die Nebenrollen gut besetzt und ausgezeichnet gespielt. Chris Pine, die aktuelle Verkörperung von Captain James T. Kirk, zeigt, dass er mehr kann als Actionfilme und eventuell sogar ein recht guter Charakterdarsteller wäre. Ben Foster gibt recht überzeugend den Gewohnheitsverbrecher, ohne seine Figur zu einem Monster zu machen. Und Jeff Bridges hat mal wieder eine Rolle, die ihm sichtbar Spaß macht, er wurde sogar für den Nebenrollen-Oscar nominiert.

"Hell or High Water" spielt in der Gegenwart und ist dennoch vom Charakter her ein Western. Es geht um Armut und Verzweiflung, um Menschen, die resigniert haben und solche, die zumindest für ihre Kinder ein besseres Leben wollen. Koste es, was es wolle.

"Hell or High Water" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Dienstag 31 Januar 2017 um 21:54 von Roland Freist

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