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Filmkritik: "American Hustle"

Die wilden 70er

David O. Russell möchte man nicht beim Witzeerzählen zuhören müssen. Wenn der Regisseur von "American Hustle" seine Gags genauso bringt wie er die Geschichte in diesem Film angelegt hat, dann fehlt es ihm einfach am Timing und am Gespür, wie man eine Pointe herausarbeitet. Und vor allem wäre er viel zu langatmig und würde sich in Details verlieren. Vielleicht würde er ein paar freundliche Lacher herausholen, aber besonders lustig wäre es nicht.

Wie schon mit "Silver Linings" hat Russell auch mit "American Hustle" eine Komödie gedreht, die nicht sonderlich komisch ist. Das soll nicht heißen, dass es ein schlechter Film wäre. Doch es fehlen ihm einfach das Drehbuch und vor allem das Timing einer Komödie. Dabei hat die Geschichte durchaus Humor. Sie wird bloß nicht witzig erzählt.

Es geht um ein Betrüger-Pärchen im New York des Jahres 1978. Irving Rosenfeld (Christian Bale) besitzt zwar einige über die Stadt verteilte Reinigungen, wesentlich mehr Zeit und Energie steckt er jedoch in den Handel mit gefälschten Gemälden und in das Verleihen von Geld an Leute, die nirgendwo anders mehr Geld bekommen. Das heißt, eigentlich verleiht er gar kein Geld. Er kassiert lediglich eine Gebühr von 5000 Dollar für ein Darlehen über 50000 Dollar, das er jedoch niemals auszahlt.

Eines Tages lernt er die schöne Sidney Prosser (Amy Adams) kennen, und sie verlieben sich ineinander. Es kostet ihn keine große Mühe, sie zum Einstieg in seine Geschäfte zu bewegen. Sie tritt in der Folge gegenüber den Kunden als englische Adelige mit besten Kontakten auf, was ihre gemeinsame Firma umso seriöser wirken lässt. Das Geld fließt, und ihre Partnerschaft wird auch nicht durch die Tatsache belastet, dass er verheiratet ist und den Sohn seiner Partnerin (Jennifer Lawrence) adoptiert hat.

Doch eines Tages machen die beiden einen Fehler und fallen auf einen Undercover-Agenten des FBI namens Richie DiMaso (Bradley Cooper) herein. Der hat jedoch einen Vorschlag für sie: Wenn Irving und Sidney ihm helfen, mindestens vier Betrüger zu überführen, kommen sie ohne Anklage davon. So entwickelt sich eine bizarre Geschichte, in der die beiden dem korrupten Bürgermeister von Camden in New Jersey (Jeremy Renner) eine Millionen-Investition eines arabischen Scheichs für die Wiedereröffnung des Spielerparadieses Atlantic City versprechen. Um die notwendigen Genehmigungen zu besorgen und den Schutz der Casinos zu organisieren, wird zudem die Mafia unter ihrem Boss Victor Tellegio (Robert De Niro) mit ins Boot geholt. Eine Zeitlang scheint alles glatt zu gehen, doch dann verlieben sich Sidney und der FBI-Agent ineinander.

Das Tempo, in dem diese Geschichte erzählt wird, ist niedrig, die Handlung stark dialoglastig. Doch immerhin will man wissen, wie’s ausgeht. Und was den Film dann tatsächlich sehenswert macht, ist das Ambiente der 70er Jahre. "American Hustle" ist unter anderem für die Oscars für die besten Kostüme und das Produktions-Design nominiert, und der Film verdient sie auch. In manchen Szenen weiß man überhaupt nicht mehr, wo man hinschauen soll, so viele kleine Details sind da zu finden.

Es sind die späten 70er, noch tobt die Disco-Ära. Die Männer tragen Hemden mit Kragen, die so breit sind wie die Flügel von Papierfliegern. Die Hemden sind aufgeknöpft bis zum Bauchnabel, so dass man die buschige Brustbehaarung sieht, in der Goldketten mit großen, goldenen Amuletten glitzern. In der ersten Szene des Films befestigt Christian Bale in einer quälend langen Prozedur mit Klebstoff ein Haarteil auf seiner Glatze und überdeckt es anschließend sorgfältig mit seinen langen, von links nach rechts gekämmten Haaren. Bradley Cooper dagegen trägt eine Pudelfrisur, für die er sich Dutzende kleine Lockenwickler in die Haare dreht. Alle schwarzen Männer, die etwas auf sich halten, haben gigantische Afros.

Die Frauen bevorzugen Dekolletés, die genauso weit nach unten reichen wie die Hemdenschlitze der Männer. An ihren Handgelenken und um den Hals sieht man unfassbar geschmacklosen Goldschmuck, vorwiegend in Form von Ketten mit riesigen, gerne etwas verbogenen Gliedern. Die Haare sind zu zentimeterdicken Locken aufgerollt, die vor allem bei Jennifer Lawrence in grotesken Windungen um den Kopf gewickelt werden.

Ein wichtiges Element ist zudem die Musik, sie sorgt den gesamten Film über für eine zeitgemäße Atmosphäre. Donna Summer mit "I Feel Love", Elton John mit "Goodbye Yellow Brick Road", die Wings mit "Live and Let Die" – der Soundtrack fasst die Ohrwürmer der Zeit recht gut zusammen (eine vollständige Auflistung der Musik des Films findet sich hier). Und auch die anderen Details stimmen: In einer Szene sieht man das berühmte Bild des nackten Burt Reynolds auf einem Bärenfell als Fototapete.

Unter den Schauspielern muss man vor allem die beiden Hauptdarsteller hervorheben. Christian Bale hat sich für die Rolle eine kräftige Wampe angefressen und passt sich in seinen Bewegungen perfekt an die neue Körperfülle an. Er spielt Rosenfeld als eine ganz eigene Art von Betrüger, nicht dumm, aber auch nicht protzig, einfach ein kleiner Mann aus der Mittelschicht, der gut durchs Leben kommen will. Und Amy Adams liefert eine der besten schauspielerischen Leistungen ihres Lebens ab, mal verführerisch, dann wieder niedergeschlagen, mit grauem Gesicht, vom Leben und den Menschen enttäuscht. Hervorragend und einen Oscar wert. Auch Bradley Cooper hat einige sehr gute Momente, doch leider gehen sie etwas unter, da man die ganze Zeit auf diese unglaubliche Frisur starrt. Jennifer Lawrence dagegen bleibt blass und ist auch nicht die beste Besetzung für die Rolle der streitsüchtigen und frustrierten Ehefrau.

"American Hustle" schaut man sich an wegen des 70er-Jahre-Ambientes und der Schauspieler. Die Story ist nett (und sogar in weiten Teilen tatsächlich so passiert), plätschert jedoch die meiste Zeit nur vor sich hin. Erst zum Schluss kommt ein wenig Stimmung auf, doch das ist insgesamt zu wenig.

"American Hustle" in der IDMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 14 Februar 2014 um 22:56 von Roland Freist

Bearbeitet: Donnerstag 28 August 2014 23:08

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