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Archiv der Kategorie DVD

Filmkritik: "Die dunkelste Stunde"

Geschrieben am Freitag 19 Januar 2018 um 21:49 von Roland Freist

Churchills hellste Stunde

Der Film hat den falschen Namen. Wenn es nicht schon im vergangenen Jahr einen Streifen mit diesem Titel gegeben hätte, müsste er eigentlich "Churchill" heißen anstatt „Die dunkelste Stunde“ („Darkest Hour“). Denn tatsächlich geht es erst in zweiter Linie um den kurzen Moment, in dem Englands Regierung nahe dran war, mit Hitler Verhandlungen über einen Friedensvertrag aufzunehmen. Im Mittelpunkt des Films des britischen Regisseurs Joe Wright ("Stolz und Vorurteil", "Wer ist Hanna?") steht ganz klar die Figur des britischen Premierministers jener Zeit, brillant verkörpert von Gary Oldman ("Léon – Der Profi", "Dame König As Spion").

Churchill kam 1940 an die Regierung, obwohl seine Partei, die britischen Konservativen, nicht viel von ihm hielt. Sein Vorgänger Neville Chamberlain, der gegenüber Hitler eine Appeasement-Politik gefahren hatte, war gescheitert. Deutsche Truppen hatten Polen besetzt und beginnen zu Beginn des Films mit dem Feldzug gegen die Niederlande, Belgien und Frankreich. Die aufs Festland übergesetzte britische Armee wird immer weiter an den Ärmelkanal und die Häfen von Calais und Dünkirchen zurückgedrängt. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die gesamten englischen Streitkräfte entweder tot oder in Gefangenschaft sind und die deutschen Armeen ohne Gegenwehr auf die britische Insel übersetzen können.

In dieser Situation war der ehemalige Militär Churchill eine Notlösung. Seine Partei und auch der englische König George VI. (Ben Mendelsohn) hätten den Außenminister Viscount Halifax (Stephen Dillane) als Premierminister vorgezogen, der jedoch lehnte ab. Halifax und einige Mitglieder des Oberhauses hatten im Hintergrund längst begonnen, vorsichtige Kontakte zu Italien aufzunehmen, das sie sich als Vermittler für den gewünschten Waffenstillstand mit Deutschland wünschten.

Churchill ist sich der Situation wohl bewusst. Er steht unter enormem Druck. Gary Oldman spielt ihn als nervösen, oft unsicheren alten Mann, der ständig in alle Richtungen gleichzeitig zu denken scheint. Das ist nicht der intellektuelle, arrogante Churchill, den man aus anderen Filmen und Serien kennt, der Mann, der allen anderen Politikern in seinem Kabinett um Längen überlegen ist. Dieser Churchill weiß lange Zeit nicht, was er tun soll, und ist in seiner schwärzesten Stunde nahe dran, den bequemen Ausweg über die Friedensverhandlungen zu gehen.

Gleichzeitig jedoch, und da wird es ärgerlich, präsentiert der Film die ganzen Marotten von Churchill so, als handele es sich um eine Komödie mit einem dicken, alten Mann als liebenswertem, leicht schusseligem Protagonisten. Während der gesamten ersten Stunde wirkt es so, als sei da draußen zwar irgendwie Krieg, wichtiger jedoch sind die Spleens des dicken Mannes, seine lustigen Sprüche, wie er seine Sekretärin (Lily James) verschreckt, wie er ihr, in der Badewanne liegend, seine Reden diktiert oder sein unkonventioneller Tagesablauf. "Die dunkelste Stunde" findet erst zum Schluss, als die Situation tatsächlich ausweglos scheint, zu einem ernsten Tonfall, und wechselt dann leider sofort zu einem schwer erträglichen, schmalzigen Pathos, Großaufnahmen von kleinen Kindern und weinenden Frauen inbegriffen. Und natürlich darf auch die dröhnende Musik nicht fehlen.

"Die dunkelste Stunde" kann zwei große Pluspunkte für sich verbuchen: die Darstellung von Gary Oldman als Winston Churchill und die tollen Bilder und Einstellungen des französischen Kameramanns Bruno Delbonnel, der zuvor beispielsweise "Die fabelhafte Welt der Amelie" gedreht hatte. Doch ansonsten ist sehr viel schiefgegangen. Vergleicht man diesen Film etwa mit "The King’s Speech", der ungefähr zur gleichen Zeit spielt, so werden die Qualitätsunterschiede überdeutlich. Ein Oscar für Gary Oldman wäre mehr als verdient, mehr jedoch nicht.

"Die dunkelste Stunde" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Freitag 19 Januar 2018 22:50

Filmkritik: "Wonder Woman"

Geschrieben am Montag 03 Juli 2017 um 22:28 von Roland Freist

Wie Ludendorff wirklich starb

Neben den beiden großen Heroen des DC-Comic-Universums, Superman und Batman, war Wonder Woman eigentlich immer nur eine Nebenrolle. In den USA erreichte die Figur vor allem durch eine Fernsehserie in den 70er Jahren eine größere Bekanntheit, in Deutschland lief die Serie in den 90er Jahren bei RTL. Darüber hinaus soll Wonder Woman bereits in der letzten DC-Comicverfilmung "Batman vs. Superman" aufgetaucht sein, die ich leider nicht gesehen habe. Doch das ist auch nicht notwendig, um diesen neuen Film verstehen zu können.

Die Geschichte ähnelt ein wenig der von Superman. Allerdings wächst Wonder Woman, mit bürgerlichem Namen Diana, nicht auf Krypton auf, sondern auf der Insel Themyscira, die aussieht, als sei sie irgendwo in der Ägäis gelegen. Dort leben die Amazonen, ein Stamm von unsterblichen, kriegerischen Frauen. Diana ist die Tochter von Königin Hyppolita (Connie Nielsen) und dem Gott Zeus und damit eine Halbgöttin mit übermenschlichen Kräften. Gespielt wird sie wie schon in "Batman vs. Superman" von der israelischen Schauspielerin Gal Gadot, die in ihren zwei Jahren bei der Armee als Sporttrainerin gearbeitet hat, was man ihr auch durchaus ansieht.

Eines Tages stürzt nahe der Insel ein einmotoriges Flugzeug ins Meer, gesteuert von dem britischen Geheimagenten Steve Trevor (Chris Pine). Er wird verfolgt von einem deutschen Kriegsschiff und wir erfahren, dass wir uns nun in den Jahren des ersten Weltkriegs befinden. In einer kraftvollen und hervorragend inszenierten Schlachtszene am Strand von Themyscira besiegen die nur mit Pfeil und Bogen bewaffneten Amazonen die deutschen Soldaten. Regisseurin Patty Jenkins übernimmt an dieser Stelle den Bilderstil von Zack Snyders martialischem Sparta-Epos "300" – kein Wunder, denn Snyder taucht in den Credits sowohl bei den Drehbuchautoren wie auch in der Liste der Produzenten auf.

Trevor überredet Diana, ihm nach Europa zu folgen. Sie hofft, dort den Kriegsgott Ares stellen zu können, der nach der Überlieferung verantwortlich für die Kriege der Menschen ist. Von London aus starten sie mit drei Freelance-Soldaten zu den Schlachtfeldern des ersten Weltkriegs in Belgien. Dort arbeitet die Chemikerin Dr. Maru (Elena Anaya) im Auftrag von General Ludendorff (Danny Huston) an einer neuen Form von Senfgas, die auch Gasmasken durchdringen kann. Ludendorff hofft, den Krieg auf diese Weise noch gewinnen zu können, während sich die Politiker in Berlin bereits auf einen Waffenstillstand vorbereiten. Diana hält zunächst ihn für die Verkörperung von Ares, muss dann allerdings erkennen, dass ihr der wahre Endkampf erst noch bevorsteht.

"Wonder Woman" ist in mehrerer Hinsicht ein bemerkenswerter Film. Nicht nur, weil er emotional starke Kampfszenen liefert wie die bereits erwähnte Strandszene oder den Vormarsch von Diana gegen die Schützengräben der deutschen Truppen. Er bezieht auch eindeutig Stellung gegen den Krieg, zeigt die Wirkung und die Folgen von Giftgasangriffen, ermordete Zivilpersonen und zerstörte Dörfer. Diana, die mit der einigermaßen romantischen Vorstellung vom Krieg als einem Duell zwischen ihr und Ares aufwuchs, wird schnell eines Schlechteren belehrt und beginnt, sich für die Schicksale der Betroffenen zu interessieren und daraus ihre Motivation zu schöpfen. Seine schwächsten Momente hat der Film am Schluss, als es zum unvermeidlichen Kampf der Titanen kommt. Die ganze intelligente Inszenierung und die Subtilität, welche die ersten anderthalb Stunden auszeichneten, werden dann für einen eher drögen Blitzkrieg (im wörtlichen Sinne) aufgegeben.

Immerhin entwickelt die Geschichte zwischendrin noch einigen an Humor. So spielt Regisseuring Jenkins etwa nach der Ankunft von Trevor und Diana in London genüsslich mit den Konflikten, die sich aus dem Aufeinandertreffen von Amazonen- und realer Welt ergeben und verteilt nebenher noch einige Seitenhiebe auf die Männerbünde in Politik und Gesellschaft der damaligen Zeit.

"Wonder Woman" ist einer der besten Superhelden-Filme im klassischen Stil des ersten "Superman" oder auch der "Avengers". Hier geht es nicht um Moral, Depressionen und Selbstzweifel, sondern um den Kampf von Gut gegen Böse, wobei das absolut Böse der Krieg selbst ist. Wie gesagt, ein guter Film.

"Wonder Woman" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Mittwoch 02 August 2017 11:38

Filmkritik: "Life"

Geschrieben am Sonntag 26 März 2017 um 19:53 von Roland Freist

Calvin nicht mehr allein zu Haus

"Blast das Ding ins Weltall", möchte man den Protagonisten dieses Films ein ums andere Mal zurufen. "Blast das Ding doch endlich ins Weltall." Denn das hat gut funktioniert in "Alien" Teil 1, 2 und 4, einer Filmreihe, mit der "Life" einiges gemeinsam hat. Doch die Crew, die hier versammelt ist, kennt die Alien-Filme offenbar nicht. Denn ansonsten wüsste sie, dass man außerirdische Monster am besten bekämpft, indem man sie ins Weltall hinausbläst.

Die Crew besteht aus sechs Personen: den beiden Amerikanern Rory Adams (Ryan Reynolds) und David Jordan (Jake Gyllenhaal), den Briten Miranda North (Rebecca Ferguson) und Hugh Derry (Ariyon Bakare) sowie der russischen Kommandantin Katerina Golovkin (Olga Dihovichnaya) und dem Japaner Sho Kendo (Hiroyuki Sanda). Ihre Aufgabe ist es, eine Sonde einzufangen, die mit einer Bodenprobe vom Mars zur Erde zurückkehrt. Man hat sie dazu auf die ISS geschickt, wo sie die gesammelten Erdbrocken auch gleich untersuchen sollen. Das dient vor allem der Sicherheit: Denn sollten die Wissenschaftler etwas Lebendiges und potenziell Gefährliches finden, könnte man auf dieses Weise vermeiden, dass es sich auf der Erde breitmacht.

Und tatsächlich: Die Sonde hat einen Passagier mitgebracht, einen Einzeller, der auf den Namen Calvin getauft wird. Nachdem Ryan Reynolds es ihm im Labor warm und gemütlich gemacht hat, beginnt er tatsächlich sich zu teilen. Schon bald wächst Calvin zu einem transparenten Glibberwesen mit erstaunlichen Kräften heran. Was nun folgt, ist weitgehend vorhersehbar: Ein Besatzungsmitglied nach dem anderen wird äußerst brutal getötet, bis zum Schluss nur noch einer übrig ist. Und niemand denkt daran, einfach mal eine Luke zu öffnen und das Ding ins Weltall zu blasen.

"Life" ist im Kern eine modernisierte Version von "Alien", mit einer realistischeren Umgebung und CGI-Effekten auf dem aktuellen Stand der Technik. Regisseur Daniel Espinosa ("Safe House") gelingt es nahezu von Anfang an, eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen. Von den Figuren an Bord der ISS erfährt man gerade so viel, dass man sich Sorgen um sie macht – und sich auch immer wieder über sie aufregt. Mit der Spannung und dem düsteren Gesamteindruck von "Alien" kann der Film jedoch nicht mithalten. Das liegt einerseits an dem Monster, dessen Gestalt man von Anfang an in der Entwicklung sieht, was einer der Grundregeln für Horrorfilme widerspricht: Zeige die Gestalt des Bösen immer erst ganz zum Schluss. Auf der anderen Seite enthält der Film so viele logische Ungereimtheiten und offensichtliche Fehlentscheidungen der Mannschaft, dass man sich nach einiger Zeit zu ärgern beginnt. Der Grusel tritt dabei leider etwas in den Hintergrund.

Die Riege der Schauspieler ist besser als es für solch einen Film eigentlich notwendig wäre. Allen voran natürlich Jake Gyllenhaal und Ryan Reynolds, doch auch der Rest der Darsteller macht seine Sache gut. Dass im Rahmen einer solchen Handlung keine differenzierte Charakterzeichnung möglich ist, ist aber ebenfalls klar.

"Life" ist alles in allem ein guter, wenn auch nicht herausragender Science-Fiction-Film. Studio, Drehbuchautoren und Regisseur sind auf Nummer Sicher gegangen und haben mit bewährten Mitteln einen soliden Weltraumhorror gestaltet. Originalität und Überraschungen darf man freilich nicht erwarten.

"Life" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Sonntag 26 März 2017 20:33

Filmkritik: "Elle"

Geschrieben am Sonntag 19 Februar 2017 um 22:12 von Roland Freist

Basic Instinct

"Elle" ist über weite Strecken ein mäßig interessanter Film über das Leben einer reichen Frau um die 50: Michèle Leblanc (Isabelle Huppert) leitet einen Verlag, der sich auf die Produktion von Videospielen spezialisiert hat. Sie lebt allein in einer schönen, alten Villa in Paris, fährt ein schickes Auto. Ihren Ex-Mann (Charles Berling) hat sie verlassen, doch er ist nach wie vor einer ihrer engsten Vertrauten. Ihr gemeinsamer Sohn (Jonas Bloquet) jobbt in einem Fast-Food-Lokal und hat eine hochschwangere Freundin, finanziell ist er nach wie vor von seiner Mutter abhängig.

Der Film zeigt Michèle wie sie zur Arbeit geht, sich mit den Grafikern und Programmierern herumärgert, wie sie sich mit Freunden trifft. Sie hat eine Affäre mit dem Mann (Christian Berkel) ihrer besten Freundin und Kollegin (Anne Conigny), außerdem ist sie scharf auf den Nachbarn (Laurent Lafitte), der mit seiner Frau im Haus gegenüber wohnt, und sie versucht, ihn zu verführen. Und sie ist eifersüchtig auf ihren Ex, der eine Beziehung mit einer seiner Doktorandinnen begonnen hat. Sie zeigt wenig Gefühle im Verhältnis zu anderen, das gilt auch für ihre ehemaligen und aktuellen Liebhaber und ihre Familie. Stattdessen ist sie sarkastisch, zynisch, ironisch und dabei oft sehr witzig. Nur bei ihren Eltern ist sie anders: Ihre Mutter peppt sich mit Schönheitsoperationen auf und leistet sich einen Callboy als Liebhaber, was Michèle grotesk und peinlich findet. Ihr Vater dagegen sitzt im Gefängnis, sie hasst ihn und hat ihn seit 40 Jahren nicht mehr gesehen.

Das alles ist nicht sonderlich interessant, aber zumindest gut erzählt und unterhaltsam. "Elle" wäre eine harmlose, amüsante Liebeskomödie, wenn Michèle nicht gleich in der ersten Szene brutal vergewaltigt würde. Der Mann trägt eine Skimaske, sie erkennt ihn nicht. Äußerlich bleibt sie ruhig, nimmt ein Bad, bestellt sich beim Lieferservice etwas zu essen, geht am nächsten Tag wieder zur Arbeit. Sie ruft weder die Polizei noch sagt sie ihren Freunden, was geschehen ist. Doch als der Täter sie verfolgt, ihr obszöne Nachrichten schickt und in ihrer Abwesenheit in ihre Wohnung einbricht, sorgt sie vor, kauft sich Pfefferspray und ein Beil, außerdem lässt sie die Schlösser auswechseln.

Mehrere Männer kommen als Täter infrage, unzufriedene Mitarbeiter, ihr Geliebter oder auch ihr Sohn, dem sie Vorhaltungen wegen seiner Freundin macht. Sie versucht einige Male, dem Täter auf die Spur zu kommen, hat jedoch keinen Erfolg. Doch dann steht der Vergewaltiger plötzlich wieder in ihrer Wohnung, und dieses Mal kann sie ihm die Maske abreißen.

Regisseur Paul Verhoeven hat in seinen Filmen schon immer gern mit Identitäten gespielt. Wer oder was war "Robocop", der Polizist Alex J. Murphy oder eine Maschine? Und war Arnold Schwarzenegger in "Total Recall" nun ursprünglich gut oder böse? Auch "Elle" lässt einen zum Schluss ratlos zurück. Denn im dritten Akt nimmt der Film eine Wendung, die einen nicht nur an Michèle, sondern zeitweise auch an der gesamten Geschichte zweifeln lässt. Man erkennt, dass das Drehbuch von Anfang an sehr sorgfältig eine zweite mögliche Version oder auch Interpretation des Geschehens vorbereitet hat. Die Fakten lassen plötzlich auch eine andere Deutung zu. Und aus der harmlosen Liebeskomödie wird ein Psychothriller.

Möglich machen das aber nicht nur das Drehbuch und die Regiekunst von Verhoeven, sondern auch Isabelle Huppert. Man sieht und spürt, dass etwas in ihr vorgeht, doch man erkennt nicht, was es ist. Ist ihre Michèle tatsächlich so abgeklärt, wie sie nach außen hin tut? Empfindet sie Angst oder Wut, Scham oder Ekel? Sie verbirgt es vor dem Zuschauer genauso wie vor ihren Mitmenschen. Ohne die Charakterzeichnung von Huppert wäre der Film nur halb so gut. Völlig zu recht wurde sie für einen Oscar als beste Hauptdarstellerin nominiert.

"Elle" ist ein krasser und teilweise schockierender Film, direkt und überraschend und zum Schluss auch sehr blutig. Verhoeven findet hier zu seiner alten Form zurück, die er bei Titeln wie "Showgirls" und "Hollow Man" bereits endgültig verloren zu haben schien.

"Elle" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

TV-Kritik: "Orange is the New Black"

Geschrieben am Samstag 29 August 2015 um 18:15 von Roland Freist

"Orange" ist das neue Gold

Gefängnisserien genauso wie -filme folgen üblicherweise dem immer gleichen Muster: Die Hauptperson wird uns ausführlich vorgestellt, wir erfahren, was sie warum getan hat, wie sie geschnappt und verurteilt wurde, und bekommen Einblicke in ihre Vergangenheit. Im Gefängnis wiederum lernt diese Person ein oder zwei Freunde kennen, auch von denen erfahren wir einige Details aus ihrem Leben. Der Rest der Mithäftlinge jedoch bleibt uns fremd, sie sind unserer Hauptperson gegenüber gleichgültig bis feindselig eingestellt. Wer sie sind, woher sie kommen, und warum einige von ihnen der Protagonistin gegenüber feindselig eingestellt sind, bleibt meist im Dunkeln.

"Orange is the New Black" ist eine Gefängnisserie neuen Typs, denn sie interessiert sich nicht nur für die wenigen, positiv besetzten Hauptpersonen, sondern für die Charaktere sämtlicher Insassen des fiktiven Frauengefängnisses in Litchfield, New York, in dem die Serie spielt. Der Zuschauer gewinnt über Rückblenden nach und nach Einblicke in die Vergangenheit nicht nur der Inhaftierten, sondern auch der Gefängniswärter, die sie beaufsichtigen. Und zumindest in der ersten Staffel ahnt man mehr, als dass man weiß, warum die Frauen einsitzen. Man lernt ihr früheres Umfeld kennen, sieht jedoch nicht die Taten, die zur Verurteilung führten.

Die Serie begleitet die Managerin Piper Chapman (Taylor Schilling), die während ihrer College-Zeit für ihre damalige Freundin Alex Vause (Laura Prepon) einmalig 150.000 Dollar Drogengeld in die USA schmuggelte und prompt erwischt wurde. Zehn Jahre lang kam es nicht zur Anklage. Doch dann, kurz vor Ende der Verjährungsfrist, wurde Piper doch noch zu 15 Monaten verurteilt und landet eben in Litchfield. Sie hat größte Schwierigkeiten, sich an das Leben im Knast zu gewöhnen. Es gibt ein Regelwerk, das ihr niemand erklärt, stattdessen lassen die anderen Gefangenen genauso wie die Wärter sie immer wieder auflaufen. Doch mit der Zeit erobert sie sich ihren Platz. Und dann stellt sie fest, dass auch ihre Ex-Freundin Alex in Litchfield einsitzt.

Neben der in Deutschland kaum bekannten, aber ausgezeichnet spielenden Taylor Schilling fallen besonders Laura Prepon ("Die wilden 70er"), TV-Veteran Michael Harney als Gefängniswärter und natürlich Kate Mulgrew, bekanntgeworden als Captain Janeway vom Raumschiff Voyager und in Litchfield als russischstämmige Chefin der Küchenbrigade beschäftigt, ins Auge.

Eine der wesentlichen Handlungsschienen, die in anderen Serien und Filmen ebenfalls oft vernachlässigt wird, ist zudem die Geschichte des zurückgebliebenen Partners der Hauptperson. Die Entwicklung von Pipers Verlobtem Larry Bloom, gespielt von Jason Biggs ("American Pie"), während ihrer Haft wird genauso ausführlich geschildert wie die Geschichte ihrer Mitgefangenen.

"Orange is the New Black" entstand nach dem gleichnamigen Buch von Piper Kerman, die darin ihre realen Erlebnisse im Gefängnis erzählte. Konzipiert wurde die Serie von Jenji Kohan, die bereits für die grandiose Serie "Weeds" verantwortlich zeichnete. "Orange" wurde produziert von Netflix und ist in Deutschland online und auf DVD erhältlich.

"Orange is the New Black" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Samstag 29 August 2015 18:25

Die Kunst des Vorspanns

Geschrieben am Dienstag 09 September 2014 um 15:35 von Roland Freist

Durch einen Hinweis auf Twitter stieß ich vor kurzem auf Art of the Title, eine Website, die sich ganz der Kunst des Vorspanns verschrieben hat. Da viele der heutigen Filme jedoch auf die Vorstellung von Schauspielern, Regisseur etc. verzichten und direkt in die Handlung einsteigen, werden auch herausragende Abspänne vorgestellt. Zudem beschränken sich die Macher nicht auf Kinofilme, sondern berücksichtigen auch Fernsehserien und Computer-Spiele.

Einer meiner Favoriten ist denn auch der Vorspann der gefeierten Krimiserie "True Detective". Hier passt einfach alles: die mit den Bildern von Landschaften und Industrieanlagen überblendeten Gestalten, die verblassten Farben und die Musik von The Handsome Family.

Als eine der herausragenden Titelsequenzen der letzten Jahre wird der Abspann von "Iron Man 3" vorgestellt. Völlig zu Recht, was mich angeht, die Machart im Stil eines 70er-Jahre-Actionstreifens verlieh dem ansonsten sehr mittelmäßigen Film zum Schluss noch einmal eine schöne ironische Note.

Und natürlich wird auch auf die Klassiker verwiesen, etwa auf "Vertigo", den Alfred Hitchcock mit einer beeindruckenden Großaufnahme von Kim Novaks Gesicht beginnen ließ.

Bereits vor einigen Jahren hat das Team von Art of the Title eine kleine Geschichte des Titeldesigns zusammengestellt, die ich hier vorgestellt habe.

Bearbeitet: Dienstag 09 September 2014 16:54

"Breaking Bad", der Remix

Geschrieben am Dienstag 26 November 2013 um 11:33 von Roland Freist

Brillanter Zusammenschnitt von Szenen aus den ersten beiden Staffeln der besten Serie der Welt. Schnitt und Musik von placeboing.

Weitere Beiträge zu "Breaking Bad" in diesem Blog:

Meine Kritik zu der Serie

Drei Videoessays zu der großartigen Kameraarbeit

"Breaking Bad" aus Sicht der Cousins

"Breaking Bad": The Middle School Musical

Jimmy Fallon: "Joking Bad"

Bearbeitet: Dienstag 26 November 2013 11:56

TV-Kritik: "Breaking Bad"

Geschrieben am Sonntag 19 August 2012 um 17:20 von Roland Freist

Walter White wechselt auf die dunkle Seite

"Breaking Bad" ist ohne Zweifel eine der besten Fernsehserien nicht nur des aktuellen Programms, sondern aller Zeiten. Sie erzählt die Geschichte des Chemielehrers Walter White (Bryan Cranston, "Malcolm mittendrin"), der unheilbar an Krebs erkrankt und daraufhin beschließt, Crystal Meth herzustellen, um mit dem Drogengeld seine Behandlung zu bezahlen und seine Familie finanziell abzusichern. Über fünf Staffeln hinweg sieht man zu, wie aus einem harmlos wirkenden, zurückhaltenden Mann aus der unteren Mittelschicht der führende Drogenproduzent von Albuquerque, New Mexico, wird, ein hochgradig gefährlicher Krimineller.

Dabei scheint anfangs alles nur ein Spiel zu sein. Die Serie besitzt einen zuweilen zwar grimmigen, aber immerhin Humor: Um sein schmales Lehrergehalt aufzubessern, arbeitet White nebenbei in einer Autowaschanlage, wo er immer wieder auch mal die Wagen seiner Schüler putzen muss. Erst nachdem bei ihm Krebs festgestellt wird, beginnt er Meth zu kochen, ein preiswertes, illegales Aufputschmittel, das zu psychischer Abhängigkeit führt und zu dessen Nebenwirkungen Persönlichkeitsveränderungen und Zahnausfall gehören. Als Gehilfen heuert er ausgerechnet einen ehemaligen Schüler von sich an, einen Jungen namens Jesse Pinkman (Aaron Paul), dem er in Chemie eine Fünf gegeben hatte. Jesse ist ein Junkie und verhilft Walter White mit seinem Insiderwissen über die Drogenszene von Albuquerque zu ersten Verkaufserfolgen. Seiner Frau Skyler (Anna Gunn) und seinem behinderten Sohn Walter Jr. (RJ Mitte) erzählt White zunächst nichts von seiner neuen Einnahmequelle. Ein witziger Einfall der Drehbuchschreiber ist, dass Walters Schwager Hank Schrader (Dean Norris) ein ziemlich abgebrühter Agent der Antidrogen-Behörde DEA ist.

Doch was zunächst wie eine Serie über Walters Abenteuer in der Drogenwelt aussieht, entwickelt recht schnell immer düsterere Töne. Zwar kann sich Walter White mit dem Drogengeld eine erstklassige medizinische Behandlung bei einem der besten Onkologen der USA leisten. Doch damit der Geldfluss nicht abreißt, ist er gezwungen zu morden, er muss Konkurrenten und bezahlte Killer aus dem Weg räumen, wenn er nicht Gefahr laufen will, mit seinen Geschäften aufzufliegen. Er sieht aber auch tatenlos zu, als Jesses Freundin an ihrem Erbrochenen erstickt, und er verstrickt sich gegenüber seiner Familie immer mehr in Lügen und gefährdet damit seine Ehe. Spätestens ab der dritten Staffel wird ihm auch immer mehr das Schicksal der Crystal-Meth-Süchtigen bewusst, die von seinen Drogen zugrunde gerichtet werden. Immer deutlicher wird, dass der Preis für Walter Whites Überleben der Tod der anderen ist.

Der Name des Protagonisten, Walter White, deutet darauf hin, dass der Erfinder der Serie, Vince Gilligan, ehemals Produzent von "Akte X", ursprünglich im Sinn hatte, mithilfe einer exemplarischen Figur die Angst des amerikanischen Mittelstands vor dem Abrutschen ins Prekariat zu beschreiben und zu zeigen, wie diese soziale Ungewissheit einen Menschen kriminell werden lässt. Doch dieses Konstrukt hat von Anfang an nicht so recht funktioniert, denn White ist als festangestellter Lehrer natürlich krankenversichert. Die Behandlung seiner Krebserkrankung würde von der Kasse bezahlt, der Aufbau einer illegalen Drogenküche wäre an und für sich nicht notwendig. Als Kritik am amerikanischen Gesundheitswesen ist die Serie daher ebenfalls nicht geeignet. Die erste Staffel baut daher die Hilfskonstruktion auf, dass der Spezialist, bei dem sich White in Behandlung begibt, so teuer ist, dass die Krankenversicherung die Kosten nicht übernimmt.

Doch je weiter die Serie voranschreitet, desto mehr weichen die Drehbuchautoren von der ursprünglichen Konzeption ab. Tatsächlich belügt sich Walter White mit der Entschuldigung für seine Taten (er muss seine Behandlung bezahlen und will, dass seine Familie nach seinem Tod materiell versorgt ist) nur selbst. Denn zum einen bietet ihm ein reicher Freund an, die Schecks an das Krankenhaus zu übernehmen, koste es, was es wolle. Zum anderen findet seine Frau Skyler, eine gelernte Buchhalterin, schon bald nach der Geburt ihres zweiten Kindes in der zweiten Staffel wieder einen gut bezahlten Job. Ein materieller Notstand ist daher auch nach dem Tod von Walter nicht zu erwarten. Aufgrund seiner Lügen ist seine Ehe zudem schon längst am Ende, seine Frau will sich scheiden lassen. Bis es in der dritten Staffel auch bei ihr zu einer 180-Grad-Drehung kommt: Längst hat sie erfahren, worin die Nebentätigkeit ihres Mannes besteht und wie viel Geld er damit verdient. Und plötzlich beginnt auch sie eine Lügenkonstruktion aufzubauen, um mit den Hunderttausenden von Dollars, die Walter nach Hause bringt, der Familie ihrer Schwester helfen zu können, deren Mann, der DEA-Agent, schwer verletzt im Krankenhaus liegt.

"Breaking Bad" zeigt, wie einfach der Übergang von einem gesetzestreuen, bürgerlichen Leben zu einer kriminellen Existenz ist. Walter White kämpft immer weniger gegen den Krebs und immer häufiger gegen konkurrierende Dealer und Mafia-Organisationen. Immer mehr Menschen werden zu seinen Opfern, und das zunehmend mit Duldung durch seine Frau. Beide wollen die Drogengelder jedoch nicht verwenden, um damit eigenen Luxus zu finanzieren, sondern um der eigenen Familie zu helfen und sie zu schützen – selbst wenn das objektiv gesehen nicht notwendig wäre. Zynischer ist die angebliche Keimzelle der Gesellschaft wohl noch nie gezeigt worden.

Zum Glück vermeidet die Serie dabei einen belehrenden Tonfall. "Breaking Bad" ist eine spannende Krimi- und Familienserie, bei der der Kontrast zwischen der düsteren, pessimistischen Stimmung und dem grellen, klaren Licht von New Mexico oftmals surrealistische Bilder erzeugt. Zu Recht wurde die Nachbearbeitung der Bilder bereits zweimal mit dem Fernsehpreis Emmy ausgezeichnet, die durchweg hervorragende Kameraarbeit wurde mehrfach für Auszeichnungen nominiert. Zusammen mit der hohen Qualität der Drehbücher und den ausgezeichneten Schauspielern – Bryan Cranston bekam bislang schon drei Emmys, dazu kommt einer für Aaron Paul – ist daraus ein Gesamtpaket entstanden, das momentan alle anderen Fernsehprogramme überstrahlt.

In Deutschland und Frankreich liegen die Free-TV-Rechte an "Breaking Bad" bei Arte, das die Staffeln 1 bis 3 in Doppelfolgen ausgestrahlt hat. Staffel 4 wechselt auf einen neuen Sendeplatz am Freitagabend und wird ab dem 2. November 2012 gezeigt. Alle vier Staffeln sind bereits in deutscher Übersetzung auf DVD erhältlich. In den USA läuft derzeit die fünfte und letzte Staffel. Als Ergänzung zu diesem Artikel finden Sie in diesem Blog unter diesem Link ein Video mit Szenen aus "Breaking Bad", die die hervorragende Kameraarbeit demonstrieren.

"Breaking Bad" in der IMDB

Der amerikanische Trailer:

Bearbeitet: Donnerstag 17 Januar 2013 9:56

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