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Filmkritik: "Black Mass"

Der Aufstieg und Fall des Jimmy Bulger

2011 war das auch bei uns den Medien eine Meldung wert: James "Whitey" Bulger, einer der meistgesuchten Verbrecher der USA, war nach 15 Jahren auf der Flucht in Santa Monica verhaftet worden. Bereits vorher war er jedoch schon eine Filmlegende. Jack Nicholson spielte ihn in Martin Scorseses "Departed", ohne dass allerdings der Name genannt wurde. In den letzten Jahren tauchte eine Figur, die ihm stark ähnelte, in der feinen, in Deutschland mal wieder untergegangenen Serie "Ray Donovan" auf, und jetzt ist Johnny Depp in die Rolle geschlüpft. Und auch wenn "Black Mass" ein eher mittelmäßiger Film ist, wegen Johnny Depp lohnt sich der Kinobesuch.

Jimmy Bulger war Mitte der 70er Jahre ein eher unbedeutender Krimineller aus dem Milieu von Southie, wie das Arbeiterviertel South Boston von den Einheimischen genannt wird. Das FBI war zu dieser Zeit vor allem hinter der Mafia her, die sich im Norden der Stadt ausgebreitet hatte und dort ihre üblichen Geschäfte abzog, Drogen, Glücksspiel, Prostitution, man kennt das aus den einschlägigen Filmen. Um an den örtlichen Paten heranzukommen, brauchte man Spitzel und Verräter. Im Film ist es der FBI-Mann John Connolly (Joel Edgerton), der den Vorschlag einbringt, mit Bulger zusammenzuarbeiten. Connolly kennt ihn seit seiner Kindheit, sie sind zusammen in Southie aufgewachsen. Bulger erkennt seine Chance und macht einen Deal: Das FBI lässt ihn in Ruhe seinen Geschäften nachgehen, dafür liefert er ihm die Spitze der Bostoner Mafia. Zunächst geht alles gut. Der Pate wird verhaftet, die Organisation zerschlagen. Doch an ihrer Stelle macht sich Bulger mit seinen Männern in ganz Boston breit und wird zum mächtigsten Verbrecher der Stadt.

Die Maskenbildner haben bei diesem Film ganze Arbeit geleistet. Sie statteten Johnny Depp mit einer Stirnglatze und der Frisur eines Reeperbahn-Luden aus, und sie verpassten ihm nach dem Vorbild des echten James Bulger große, strahlendblaue Augen, die ihn aussehen lassen wie einen Dämon. Und Depp erfüllt diese Erscheinung tatsächlich mit Leben. Er ist hier meilenweit entfernt von seinem Jack Sparrow und all den anderen Figuren, die er im Laufe seiner Karriere gespielt hat. Bulger hat eine weiche Seite, er liebt seine Frau, seinen Sohn und die alten Menschen aus der Nachbarschaft. Wenn es jedoch um seine Geschäfte geht, ist er eine eiskalte, brutale Sau, der Menschen ohne zu zögern erschießt, mit einem Seil erwürgt oder sogar mit bloßen Händen tötet. Er verwandelt sich dann in das absolut Böse. Schon in "Public Enemies" hatte Depp mit der Figur des John Dillinger einen neuen, originären Typ von Leinwand-Gangster geschaffen. In "Black Mass" setzt er noch einmal eins drauf.

Der Film erzählt vom Aufstieg und Fall eines Verbrechers. Zugleich ist es jedoch auch die Geschichte von Kindern und Freunden aus einem irisch geprägten Arbeiterviertel, die später verschiedene Lebenswege einschlagen und selbst als Antagonisten versuchen, ihre alten Ideale von Freundschaft und Loyalität aufrechtzuerhalten. Alle engen Vertrauten von Bulger stammen natürlich aus Southie, dazu kommen Connolly, der Verbindungsmann beim FBI, sowie diverse Randfiguren. Eine der interessantesten Rollen spielt Benedict Cumberbatch ("Sherlock") als James Bulgers Bruder Billy, der sich für eine Karriere in der Politik entscheidet und bis zum Senator aufsteigt. Auch er weiß natürlich über die kriminellen Machenschaften von James und seiner Bande Bescheid, Verrat kommt allerdings auch für ihn nicht in Frage.

Doch trotz guter Schauspieler und einer interessanten Story ist aus "Black Mass" kein herausragender Film geworden. Zum einen will er einfach zu viel: Die Geschichte deckt den langen Zeitraum von Mitte der 70er bis Mitte der 90er Jahre ab, sämtliche Ereignisse werden daher notgedrungen in großer Eile erzählt. Besser wäre es vielleicht gewesen, ein paar zentrale Storys herauszugreifen und sich dafür mehr Zeit zu nehmen. Der zweite große Fehler ist, dass ständig die Perspektive wechselt, von Connolly zu Bulger zu den Mitgliedern seiner Gang und den FBI-Männern. Es gibt tatsächlich keine eindeutige Hauptfigur. Oft hat man das Gefühl, dass Connolly der zentrale Charakter ist, doch dann wechselt die Geschichte wieder zu Bulger. Letztlich führt das dann dazu, dass einem sämtliche Figuren mehr oder weniger egal sind, weshalb dann auch keine Spannung aufkommen will. Zudem besitzt Regisseur Scott Cooper ("Crazy Heart") nicht die Meisterschaft eines Martin Scorsese, es fehlen die eindrücklichen Szenen und Einstellungen, die sich ins Gedächtnis brennen. So ist es denn nur das maskenhafte Gesicht mit dem unangenehmen, durchdringenden Blick von Johnny Depp als James Bulger, das von diesem Film in Erinnerung bleiben wird.

"Black Mass" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Sonntag 18 Oktober 2015 um 19:30 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 18 Oktober 2015 19:34

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