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Filmkritik: "Transcendence"

Hallo Computer

Die Geschichte von dem Menschen, dessen Bewusstsein in einen Computer transferiert wird, beziehungsweise von dem Rechner, der ein menschliches Bewusstsein entwickelt, dürfte ungefähr so alt sein wie Johnny Depp, also um die 50. Das Motiv taucht in zahllosen Science-Fiction-Filmen auf, zuletzt in "Her", und wird auch in mehreren SF-Serien behandelt, von "Star Trek" bis "Stargate". Viele, oder vielleicht sogar die meisten Zuschauer, dürften also einen Vergleich anstellen können zwischen einem neuen Film wie "Transcendence" und seinen Vorgängern. Und dabei schneidet "Transcendence" nicht gut ab.

Anfangs langweilt einfach nur die Geschichte, denn man ahnt bereits, worauf alles hinausläuft: Will Caster (Johnny Depp) und seine Frau Evelyn (Rebecca Hall) sind Wissenschaftler, die daran arbeiten, Computern ein menschliches Bewusstsein zu geben, ihnen Emotionen beizubringen. Da wird Will Opfer des Anschlags einer terroristischen Gruppe, die jegliche Forschung zu diesem Gegenstand unterbinden will. Er überlebt schwer verletzt, hat jedoch nur noch wenige Wochen zu leben. Seine Frau und ein Kollege namens Max Waters (Paul Bettany) helfen ihm daher dabei, sein eigenes Bewusstsein in das Computer-System zu kopieren. So weit, so gut: Diesen Teil der Geschichte haben Science-Fiction-Freunde bereits mehrfach gesehen.

Dann schlägt der Film allerdings eine Richtung ein, die man nicht erwartet hatte. Und wird dabei prompt immer schlechter. Will verlangt, online gehen zu dürfen, und bekommt auch einen Internet-Zugang spendiert. Auch die nächsten Szenen kannte man bereits: Er verdient innerhalb weniger Stunden eine Menge Geld und infiltriert in kürzester Zeit sämtliche Computer dieser Welt (nebenbei lernen wir mal wieder, dass das Internet böse und eine Bedrohung für die Zivilisation ist). Von da an wird die Geschichte immer bizarrer: Will entwickelt aus ungeklärten Gründen totalitaristische Tendenzen und will sich gleichzeitig in einem Rechenzentrum in der Wüste verstecken – natürlich mit Internet-Anbindung. Er forscht zur Nanotechnologie und entwickelt Naniten, die sich als wahre Wundermaschinen erweisen, denn sie können nicht nur menschliches Gewebe regenerieren und sich als bewusstseinssteuernder Chip ins Gehirn setzen, sondern auch Solarzellen bauen und reparieren sowie auf der anderen Seite massive Stahlrohre zerstören. Irgendwann kommt Paul Bettany zu der Erkenntnis, dass jetzt nur noch ein Virus helfen kann, der sowohl Will wie auch sämtliche Computer der Welt abschaltet. Und so geschieht es dann auch.

"Transcendence" schert sich kein bisschen um auch nur einen Hauch von Glaubwürdigkeit. Dass Programmcode immer noch Zeile für Zeile über Bildschirme läuft, mit einer Geschwindigkeit, dass man mitlesen könnte: geschenkt. Dass grafische Oberflächen unbekannt sind: ebenfalls geschenkt. Aber danach folgen so viele Ungereimtheiten, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll: Wie kann man innerhalb von 24 Stunden ein Unternehmen gründen und damit sofort Gewinn machen? Wieso sprechen die von Computer-Will ferngesteuerten Menschen plötzlich mit seiner Stimme? Wieso kommen die Nanniten aus der Erde heraus und steigen in die Luft, als gäbe es keine Schwerkraft? Ha! Das weiß ich: Weil's cool aussieht. Aber warum kann man diese nur wenige Nanometer großen Konstruktionen überhaupt sehen? Wieso schickt die amerikanische Armee für die Zerstörung von Wills Rechenzentrum gerade einmal ein (in Zahlen: 1) Artilleriegeschütz und bombardiert die Einrichtung nicht? Ohnehin sollte es möglich sein, das Hauptquartier übers Internet zu orten und dann einfach die Leitungen zu kappen. Und warum kann Will jeden Rechner der Welt übernehmen? Haben die Drehbuchautoren nie etwas von Firewalls gehört?

Je länger der Film dauert, desto mehr ärgert man sich über diese Kleinigkeiten, denn sie summieren sich. Hinzu kommt, dass man mit der Figur des Will Caster, der eigentlich ein tragischer Held ist, nicht warm wird, da man seine Beweggründe nicht versteht. Der Zuschauer wird sogar im Unklaren gelassen, ob dieses Computer-Bewusstsein überhaupt Will Caster ist. Auch Rebecca Hall hatte offenbar Schwierigkeiten mit ihrem Film-Ehemann, denn zwischen ihr und Johnny Depp springt in keiner Szene der Funke über. Und nicht einmal Depp selbst scheint seine Figur zu durchschauen, er bleibt für seine Verhältnisse blass.

"Transcendence" wurde von Wally Pfister gedreht, der bislang ausschließlich als Kameramann tätig war. Christopher Nolan heuert ihn gerne an und hat mit ihm die Batman-Trilogie und "Inception" gemacht. Pfister findet auch hier wieder schöne Bilder von den endlosen Fluren des unterirdischen Rechenzentrums und den im Dunkeln blinkenden Lichtern der Computer mit den "Quantenprozessoren". Er ist in Hollywood hoch angesehen, weshalb er wohl neben Depp, Hall und Bettany auch noch Morgan Freeman und Cillian Murphy für den Cast verpflichten konnte. Doch keiner der Schauspieler lebt hier wirklich auf.

Insgesamt ist "Transcendence" eine Enttäuschung. Die Geschichte ist über weite Strecken langweilig, hat große Löcher und wirkt unglaubwürdig. Der Schluss lässt einen weitgehend kalt, dafür sind die Dialoge in diesen letzten Minuten umso pathetischer. Es kommt so gut wie keine Spannung oder Dramatik auf, und die Special Effects sind nichts Besonderes. Einige schöne Bilder und große Stars allein machen eben noch keinen guten Film.

"Transcendence" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Sonntag 27 April 2014 um 22:07 von Roland Freist

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