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Filmkritik: "Lone Ranger"

Fluch des Westens

"Lone Ranger" ist einfach zehn Jahre zu spät dran. Wäre der Film bereits 2003 in die Kinos gekommen, dann hätte man ihn vermutlich mit wohlwollenden Kritiken bedacht. So aber zieht man ständig Vergleiche mit "Fluch der Karibik" und hat den Verdacht, dass Disney das Erfolgsrezept der Piraten- nun auf Westernfilme übertragen möchte, dass "Lone Ranger" also nichts anderes ist als eine aus rein monetären Interessen heraus entstandene Kopie. Vor allem die von Johnny Depp gespielte Figur des Komantschen Tonto nährt diesen Verdacht, da er einen ähnlich skurrilen Outlaw abgibt wie damals Captain Jack Sparrow. Das hat der Wahrnehmung des Films im Vorfeld enorm geschadet und etliche Verrisse nach sich gezogen. Doch im Grunde ist es schade, denn tatsächlich ist "Lone Ranger" ein recht unterhaltsamer, technisch hervorragend gemachter Sommer-Blockbuster, dem man lediglich vorwerfen muss, dass er bei der Story ein wenig vom Weg abgekommen ist.

Johnny Depp ist natürlich der Eyecatcher in diesem Film, auch wenn der Titel auf den Ranger verweist. Sein Tonto wurde von seinem Stamm verstoßen und läuft nun mit einem Gesicht voll abblätternder, weißer Schminke und mit einer toten Krähe auf dem Kopf durch die Wüsten der amerikanischen Südstaaten. Der Lone Ranger hingegen ist zunächst gar kein Ranger, sondern der Staatsanwalt John Reid (Armie Hammer), der in den Westen gekommen ist, um seinen Bruder Dan (James Badge Dale), einen Texas Ranger, zu besuchen. Im Zug stößt er zum einen auf Tonto und zum anderen auf den kriminellen Butch Cavendish (William Fichtner), die beide ihrem Gerichtsprozess entgegenfahren. Cavendish wird jedoch, wie könnte es anders sein, von seiner Bande befreit, bei dieser Gelegenheit kann auch Tonto fliehen. Die beiden Reid-Brüder machen sich mit einer Gruppe von Helfern auf, Cavendish wieder einzufangen, geraten jedoch in einen Hinterhalt, den lediglich Dan überlebt. Als Tonto ihn findet, schließen sich der Ranger und der Indianer zusammen, um Cavendish endgültig zur Strecke zu bringen.

Einiges an diesem Film ist einfach nur großartig. An erster Stelle sind dabei die beiden Eisenbahn-Szenen zu Beginn und am Schluss zu nennen, die zum Besten gehören, was seit "Indiana Jones und der Tempel des Todes" mit fahrenden Zügen gedreht worden ist. Das ist perfektes, witziges Action-Kino, mit einem gigantischen Aufwand an Special Effects und CGI-Bildern gestaltet. Hier sieht man, wo die 250 Millionen Dollar geblieben sind, die Disney in diesen Film gesteckt hat.

Toll sind weiterhin die Kostüme und die Bauten. Jedes Detail stimmt, die Atmosphäre passt, Licht und Räume sind perfekt eingefangen. Und da zu einem guten Western auch immer grandiose Landschaftsaufnahmen gehören, hat Regisseur Gore Verbinski große Teile der Handlung ins Monument Valley verlagert, wo er tatsächlich noch einmal Blickwinkel fand, die man so bislang noch nicht gesehen hat.

Doch so schön das alles inszeniert ist: Man kommt nie in die Versuchung, "Lone Ranger" zum Meisterwerk zu erklären. Das war vermutlich auch nie die Absicht der Macher, doch ein paar mehr positive Kritiken hätten sie vermutlich schon gerne gelesen. Vor allem aufgrund der vorwiegend negativen Beurteilungen in den USA sieht es im Moment so aus, als ob als der Film einen zwei- bis dreistelligen Millionenbetrag Miese einfahren könnte.

Die meisten Kritikpunkte hängen sich an der Story auf, und das nicht ganz zu unrecht. Das Grundthema des Films ist der Bau der Eisenbahn, die den Osten mit dem Westen Amerikas verbinden soll. Dabei muss gemäß den Vereinbarungen mit den Komantschen ihr Stammesgebiet umfahren werden. Dort jedoch wurde Silber gefunden. Und so zettelt der Chef des Bautrupps (Tom Wilkinson) einen Krieg mit den Indianern an, um sie von ihrem Gebiet zu vertreiben. Dabei bedient er sich sogar der Kavallerie, die dann jedoch bei einem Überfall der Komantschen nahezu bis auf den letzten Mann getötet wird – und der Zuschauer sieht es mit Vergnügen, denn die Indianer sind in diesem Fall die Guten.

Es ist seltsam, was in diesem Film passiert. "Lone Ranger" dreht die üblichen Westernklischees – Kavallerie gut, Indianer böse – ganz einfach um und schildert die Armee als eine von korrupten Wirtschaftsbossen missbrauchte Organisation. Vergleiche mit dem zweiten Irak-Krieg drängen sich auf. An und für sich wäre das ein gutes Thema. Doch in eine Klamauk-Komödie, und das ist "Lone Ranger" nun einmal, passt eine solche Geschichte einfach nicht hinein. "Fluch der Karibik" verwendete eine milde Horrorgeschichte als Basis und machte sich gleichzeitig gekonnt über sie lustig. "Lone Ranger" baut auf einer Story über Gier, Verrat und Kolonialismus auf. Da gibt es nichts, über das man sich amüsieren könnte.

Was ebenfalls nicht funktioniert, ist die Gewaltdarstellung. Nahezu jede Person, die im falschen Moment den Mund aufmacht, wird erschossen. Das kann man auf verschiedene Arten inszenieren, im Stil einer Komödie oder als Tragödie. "Lone Ranger" wirkt in diesem Punkt oft unentschlossen, der Film ist daher in vielen Szenen brutal, ohne tatsächlich brutal sein zu wollen. Doch die Freigabe ab zwölf Jahren ist vollauf gerechtfertigt.

Der Film ist auf jeden Fall den Preis einer Kinokarte wert. Denn einige Szenen hat man so gut noch nicht gesehen. Und trotz einer Überlänge von 149 Minuten langweilt man sich nicht, Tempo und Rhythmus halten einen dicht an der Handlung, den Rest erledigen die hervorragenden Bilder. Doch sollte es einen zweiten Teil geben, werde ich den vermutlich auslassen.

"Lone Ranger" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Mittwoch 14 August 2013 um 0:13 von Roland Freist

Bearbeitet: Mittwoch 21 August 2013 0:07

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