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Filmkritik: "The Master"

Master and Servant

Als letztes Jahr die ersten Ausschnitte von "The Master" präsentiert wurden mit dem geraunten Hinweis, der Film handele von einem Sektengründer, da war sofort klar, was uns die Marketing-Abteilung sagen wollte: Regisseur Paul Thomas Anderson ("Boogie Nights", "There Will Be Blood") hat einen Film über den Scientology-Gründer L. Ron Hubbard gedreht. Ärger lag in der Luft und heizte die Neugierde an. Doch nach Sehen des Films wird vermutlich jeder zustimmen, dass es bei "The Master" a) nicht um L. Ron Hubbard geht und b) noch nicht einmal um die Machenschaften von Scientology und anderen, ähnlich gelagerten Sekten. Kein Wunder, dass Scientology auf den zunächst angekündigten Protest verzichtet hat. Es ist noch einmal ein besonders guter Film geworden.

Er erzählt die Geschichte von Freddie Quell (Joaquin Phoenix), der zu Beginn als Soldat der Marine im Pazifik eingesetzt ist. Doch der zweite Weltkrieg geht zu Ende, und Freddies Entlassung steht kurz bevor. Seine Kameraden und er vergnügen sich am Strand – sie haben aus Sand einen nackten Frauenkörper geformt, und Freddie tut sich hervor, indem er unter dem Gejohle der Männer Geschlechtsverkehr mit ihr simuliert. Kurz darauf sehen wir ihn masturbierend am Wasser stehen, anschließend legt er sich, nun allein am Strand, zu der Sandfrau und umarmt sie. Er ist ein seltsamer und eher unangenehmer Typ.

Während der Überfahrt nach San Francisco wird dann seine große Schwäche offenbar: Freddie ist ein harter Trinker und mischt bedenkenlos Whisky, Wodka und was sonst noch zur Hand ist mit alkoholhaltigen Lösungen wie etwa Farbverdünner oder Fundstücken aus dem Medizinschrank. In einer Szene zapft er einen Torpedo an und verwendet dessen Treibstoff zum Aufpeppen seiner Drinks.

Nachdem er in Kalifornien verschiedene Gelegenheitsjobs aufgenommen und aufgrund seines hitzigen Charakters auch schnell wieder verloren hat, landet er durch Zufall betrunken an Bord eines Schiffes, mit dem Lancaster Dodd (Philip Seymour Hofmann), Gründer und Kopf einer jungen Sekte namens "Der Ursprung", zusammen mit seinen Getreuen auf dem Weg nach New York ist. Dodd findet Gefallen an Freddie, nimmt sich seiner an und beschäftigt ihn als eine Art Diener und Leibwächter. Außerdem versucht er, unterstützt durch seine Frau Peggy (Amy Adams), Freddie den Jähzorn und die Alkoholsucht auszutreiben. Seine Methoden wirken auf den ersten Blick beeindruckend: Er lässt seine Patienten bestimmte Sätze ständig wiederholen oder arbeitet mit Hypnose, um bei ihnen ein Glücksgefühl zu erzeugen. Doch schon bald wird klar, dass Dodd letztlich keine Ahnung hat, was er da macht. Er verlässt sich einfach auf seine Ausstrahlung und improvisiert ansonsten. Das hat auch seine Entourage bereits erkannt: Dodds Sohn Val (Jesse Plemons) erklärt Freddie, dass man während der Reden seines Vaters ohne weiteres ein kurzes Nickerchen machen könne, ohne etwas zu verpassen. Trotzdem bleiben sie alle bei ihm, die Gemeinschaft scheint sie zusammenzuhalten.

Zwei Dinge sind es, die diesen Film auszeichnen: die große schauspielerische Leistung der Hauptpersonen und die Bildregie. Es gab Oscar-Nominierungen für Joaquin Phoenix, Philip Seymour Hofmann und Amy Adams, und vor allem Phoenix spielt sich die Seele aus dem Leib. Und die Landschaftsaufnahmen sind fantastisch. Anderson hat mit dem selten gewählten 65-Millimeter-Format gedreht, was in einigen Einstellungen einen grandiosen Cinemascope-Effekt ergibt.

Doch "The Master" leidet daran, dass er letztlich keine überzeugende Story präsentieren kann. Das liegt zum einen daran, dass sich der Film nicht eindeutig entscheiden kann, ob er von den Anfangsjahren einer amerikanischen Sekte und ihrem charismatischen Gründer erzählen will, oder von einem unbeherrschten Alkoholiker mit schlechtem Benehmen und eingeschränkten geistigen Fähigkeiten, der in die Fänge einer Sekte gerät. Es ist in diesem Zusammenhang auch nicht hilfreich, dass der Film zwar "The Master" heißt, der Meister jedoch tatsächlich nur die Nebenrolle spielt.

Zum anderen wirft der Schluss Fragen auf in der Art, dass man aus dem Kino kommt und sich denkt: Und was sollte das nun alles? Eine kurze Überlegung war, dass man aus diesem Stoff eine gute Komödie hätte machen können – ein Mann, der sich in erster Linie für Alkohol und Sex interessiert, stolpert ins Zentrum einer Sekte, die mit ihren seltsamen Methoden ergebnislos versucht, einen besseren Menschen aus ihm zu machen. Das hätte witzig werden können und Gelegenheit gegeben, einige schöne Seitenhiebe auf den Einsatz von E-Metern und ähnlichem Blödsinn loszuwerden. So aber bleibt der Eindruck, dass hier die Chance für einen wirklich großen Film leider vertan wurde.

"The Master" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Montag 25 Februar 2013 um 17:15 von Roland Freist

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