« Filmkritik: "Gefährten" | Zurück zur Startseite dieses Blogs | Filmkritik: "Safe House" »

Filmkritik: "Young Adult"

Die Schönheit der Kleinstadt

Mavis Gary (Charlize Theron) war einst das begehrteste Mädchen der Highschool, blond, cool, verführerisch, männermordend. Heute ist sie 37, trägt billigen Schmuck und wacht an jedem einzelnen Tag, den der Film beschreibt, verkatert, in voller Montur und mit verschmiertem Makeup auf. Nur mit großen Injektionen von Cola Light schafft sie es zum nächsten Fastfood-Laden, dann kann der Tag beginnen. Sie lebt in Minneapolis in einem kleinen Apartment und schreibt Kitschromane für "young adults", junge Erwachsene. Eines Tages erhält sie eine E-Mail ihres Highschool-Freundes Buddy Slade (Patrick Wilson), der in diesem Rundschreiben die Geburt seiner Tochter bekanntgibt. Mavis macht sich auf den Weg nach Mercury, ihrem Heimatort, wo Buddy mit seiner Frau immer noch lebt. Sie hat den völlig wirren Plan, Buddy aus seinen bürgerlichen Fesseln zu lösen, wieder für sich zu gewinnen und mit ihm zusammen nach Minneapolis abzuhauen. Die Beiden haben sich seit Jahren nicht gesehen, trotzdem ist sie überzeugt davon, dass dies das Beste für ihn ist.

Angekommen in Mercury, begegnet sie ihren alten Mitschülern, und natürlich wird sie von nahezu allen Frauen gehasst. Die Abende verbringt sie oft mit Matt Freehauf (Patton Oswalt, der Spence aus "King of Queens"), der als Jugendlicher brutal zusammengeschlagen wurde, weil man ihn für schwul hielt. Seitdem braucht er zum Gehen eine Krücke, sein Penis ist verkrüppelt. Matt ist physisch behindert, Mavis hat psychische Probleme. Zusammen trinken sie Bourbon, in großen Mengen, vor allem sie schüttet den Schnaps ohne zu zögern wasserglasweise in sich hinein. Matt versucht ihr beizubringen, dass ihr alter Schwarm Buddy mittlerweile glücklich verheiratet ist, doch das interessiert sie nicht. Sie will ihn wiederhaben und mitnehmen. Und während der insgesamt drei Treffen mit Buddy schaukeln sich ihre Frustrationen und zerstörten Träume immer weiter auf.

"Young Adult" ist eine Charakterstudie, die Handlung ist in erster Linie dazu da, den zentralen Charakter vorzustellen und begreifbar zu machen. Und Charlize Theron macht das ausgezeichnet. Sie zeigt mal wieder, dass sie eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation ist. Natürlich ist sie auch in diesem Film eine schöne Frau, doch von ihrem ganzen Model-Glamour ist nichts mehr zu spüren. Übrig bleibt eine Frau, die sich nach einer gescheiterten Ehe regelmäßig betrinkt, oftmals zu auffällige, geschmacklose Kleidung trägt und sich in ihrer Verzweiflung nach der Welt ihrer Jugend zurücksehnt, die sie als heil in Erinnerung hat.

Es gibt Anzeichen dafür, dass der Film ursprünglich als Komödie angelegt war. Regisseur Jason Reitman hat sich für "Young Adult" wieder mit Diablo Cody zusammengetan, die bereits bei "Juno" das Drehbuch geschrieben hatte und diesen Film zu einem witzigen, bewegenden Meisterwerk gemacht hatte. Müde, verkaterte Menschen wirken immer komisch, und das gilt auch für Mavis. Zum Lachen ist der Film dennoch nicht.

"Young Adult" krankt ein wenig daran, dass er sich zu sehr auf Mavis konzentriert. Die Rolle von Patton Oswalt etwa wäre durchaus ausbaufähig gewesen. Zwar gelingt es Charlize Theron mühelos, die Leinwand jederzeit zu beherrschen und alle Blicke auf sich zu ziehen. Doch Mavis Gary ist eine zu zwiespältige Figur, als dass man sich mit ihr identifizieren könnte, und viele Zuschauer werden sich von ihrem Alkoholismus und der offen gezeigten Verachtung für Familienleben und die Kleinstadtwelt auch abgestoßen fühlen. So geht man insgesamt unbefriedigt aus dem Kino, man hat das Gefühl, einen guten, vielleicht sogar außergewöhnlichen Film gesehen zu haben, dem jedoch irgendein wichtiger Bestandteil zu fehlen scheint.

"Young Adult" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 24 Februar 2012 um 11:24 von Roland Freist

Bearbeitet: Sonntag 26 März 2017 20:19

*
blog comments powered by Disqus

« Filmkritik: "Gefährten" | Zurück nach oben | Filmkritik: "Safe House" »

Impressum/Kontakt