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Filmkritik: "Rango"

Der ultimative Westernheld

Ist Rango eine Eidechse oder ein Chamäleon? Schwer zu sagen. Ich tippe auf Chamäleon, wegen der großen, hervorstehenden Augen. Für die Eidechse spricht allerdings, dass ein Chamäleon vielen der gefährlichen Situationen, denen sich Rango im Laufe dieses Films ausgesetzt sieht, durch etwas Farbkosmetik und Chamäleon-typische Anpassung an die Umgebung hätte entgehen können. Aber vielleicht wollte Rango das gar nicht.

Rango heißt übrigens in Wirklichkeit Lars und wird in der amerikanischen Version dieses Animationsfilms gesprochen von Johnny Depp. In der deutschen Synchronisation hört man David Nathan, der Depp bereits in "Charlie und die Schokoladenfabrik" oder "Alice im Wunderland" seine Stimme gegeben hat (nicht allerdings in "Fluch der Karibik" – die Stimme von Jack Sparrow hätte nicht zu Rango gepasst). Lars lebt mit einem aufziehbaren Plastikfisch allein in einem Terrarium, in dem er sich die Zeit mit fantasierten Theateraufführungen vertreibt. Zu Beginn sieht man ihn, wie er während einer Autofahrt seiner Besitzer durch die Wüste von Nevada seine Stücke spielt. Bei einem Ausweichmanöver rutscht das Terrarium auf die Straße und zerspringt. Lars ist frei.

Er gelangt in eine Wüstenstadt, die nicht nur "Dirt" heißt, sondern auch so aussieht. Sie wird von allerlei Wüstengetier bewohnt, Ratten, Mäusen, Eidechsen, anderen Chamäleons. Lars will bei ihnen Eindruck schinden und nennt sich von fortan Rango. Und er erzählt den andächtig lauschenden Bewohnern von Dirt von seinen Heldentaten und wie er ganze Banden mit nur einem Schuss erledigt habe. Rango ist genau der Typ, auf den die Bewohner von Dirt gewartet haben. Denn ihnen geht das Wasser aus, und sie wissen nicht warum. Wasser ist in ihrer Welt nicht nur zum Trinken da, sondern auch das einzige Zahlungsmittel. Wasser bedeutet Reichtum und Macht – die örtliche Bank hortet in ihrem Safe einen großen Wasserkanister, wie er in den USA als Trinkwasserspender in jedem Büro steht. Er ist beinahe leer, und Rango verspricht, den Bewohnern von Dirt zu helfen.

Genüsslich zitiert der Film nicht nur an dieser Stelle Klassiker des Westerns. Der Fremde, der in die Stadt geritten kommt und dort aufräumt – man erinnert sich an Clint Eastwood in "Für eine Handvoll Dollar" (tatsächlich tritt später in einer kurzen Szene ein Mann mit zusammengekniffenen Augen und Poncho auf). Es finden sich aber auch Anklänge an "High Noon" oder "Spiel mir das Lied vom Tod". Und die Macher scheuen sich auch nicht, in fremden Genres zu wildern, der von Wagner-Musik untermalte Hubschrauber-Angriff aus "Apocalypse Now" wird genauso zitiert wie einige Szenen und Figuren aus den "Star Wars"-Filmen – kein Wunder, denn die technische Umsetzung stammt von George Lucas‘ Firma Industrial Light & Magic.

Es ist der erste Animationsfilm, den ILM gedreht hat, und der Firma ist es tatsächlich gelungen, etwas Neues zu entwickeln. Die Figuren und die Umgebung sind messerscharf gezeichnet, mit harten Schatten und realistischen Landschaftsbildern, und oft fragt man sich, ob dieser Hintergrund nun im Computer entstanden ist oder als abfotografiertes Detail in den Film hineinmontiert wurde. Der Realismus setzt sich bei den Figuren fort, sie sind dreckig, haben Hautprobleme, manche sind übergewichtig, andere alt und verbraucht. Es ist immer klar, dass es Tiere sind, doch die Charaktere sind äußerst menschlich. Das Süßliche, Glatte und latent Bonbonfarbene, das die Pixar-Filme kennzeichnet – in "Rango" wird es ersetzt durch verstaubte Stachelschweine und Kaninchen mit nur noch einem Ohr. Hinzu kommt, dass der Film in 2D gedreht ist, was ihm eine wunderbare Klarheit und Helligkeit gibt und das grelle Wüstenlicht umso besser zur Geltung bringt. Nach den ganzen Filmen mit 3D-Grauschleiner in den vergangenen Monaten eine echte Wohltat.

"Rango" hat eine Menge Witz, doch er äußert sich nicht in Form von One-Linern oder schnellen und bissigen Dialogen – das bleibt die Domäne der Animationsfilme von Dreamworks, das die Messlatte vor allem mit den "Shrek"-Filmen in diesem Punkt sehr hoch gelegt hat. Stattdessen gibt es viel Slapstick und Anspielungen auf aktuelle psychologische Modethemen, und der Protagonist (ein Chamäleon!) fragt sich "Wer bin ich?" "Rango" ist eher ein Film, den man mit einem breiten Grinsen sieht als ein Schenkelklopfer. Wenn der Titelheld etwa als neuer Sheriff mit seinen Männern auf ziemlich abgehetzt aussehenden Hühnern in die Abendsonne reitet, so ist das einfach nur schön. Der Film ist ab sechs Jahren freigegeben, doch ich habe meine Zweifel, ob Kinder ihn wirklich genießen können. "Rango" ist ein animierter Western für Erwachsene, toll gemacht, witzig, intelligent, und mit glaubhaften Charakteren. Die Kinder in meiner Kinovorstellung fanden jedoch nur wenige Stellen, an denen sie lachen konnten.

"Rango" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Geschrieben am Freitag 11 März 2011 um 22:28 von Roland Freist

Bearbeitet: Montag 07 Oktober 2013 11:58

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