« September 2014 | Startseite | November 2014 »

Archiv vom Oktober 2014

Analyse zu "Das Schweigen der Lämmer"

Geschrieben am Dienstag 21 Oktober 2014 um 18:05 von Roland Freist

Eine der wichtigsten Szenen in "Das Schweigen der Lämmer" ist die erste Begegnung der angehenden FBI-Agentin Clarice Starling (Jodie Foster) mit dem gefürchteten Serienmörder Hannibal Lecter (Anthony Hopkins). Schon allein der Weg durch das unterirdische Verlies mit den abgedunkelten Zellen und den psychisch gestörten Schwerverbrechern ist furchteinflößend. Der Höhepunkt ist jedoch der Auftritt von Lecter. Er ist der gefährlichste von allen und daher am Ende des Ganges in der am besten gesicherten Zelle untergebraucht. Die ersten Bilder von ihm, wie er in seiner hell erleuchteten, verglasten Höhle gerade und aufrecht stehend den Besuch von Starling erwartet zu haben scheint, wirken irreal und sind daher noch beängstigender als die Szenen mit den übrigen Gefangenen, die ihre Hände durch die Gitterstäbe strecken.

Danach folgt eine bemerkenswerte Dialogszene, in der sowohl Starling wie auch Lecter versuchen, das zu bekommen, was sie wollen, ohne dabei ihre wahren Absichten zu offenbaren. Wie Regisseur Jonathan Demme das inszeniert, wie er die Blickwinkel der Kamera verändert und dadurch den Gesprächsverlauf kommentiert, ist eine Meisterleistung. Der amerikanische Filmemacher Tony Zhou erklärt, wie die Szene funktioniert.

Bearbeitet: Sonntag 31 Mai 2015 18:45

Filmkritik: "The Equalizer"

Geschrieben am Donnerstag 16 Oktober 2014 um 21:34 von Roland Freist

Er macht es zu seinem Projekt

Robert McCall, gespielt von Denzel Washington, ist der perfekte Mitarbeiter: Der Angestellte eines Baumarkts ist pünktlich, trinkt nicht, er ist beliebt bei den Kollegen, arbeitet ruhig, zuverlässig und unauffällig. "The Equalizer", der neue Film von Antoine Fuqua ("Training Day"), nimmt sich viel Zeit, um dem Zuschauer die Hauptperson vorzustellen. Dabei führt McCall ein sehr langweiliges Leben: Nach der Arbeit geht er sofort nach Hause, in eine kleine Zweizimmer-Wohnung im Zentrum von Boston. Er macht sich etwas zu essen, liest noch ein wenig und geht dann ins Bett, wo er weiter liest.

Dann wird es langsam interessant. Denn McCall kann nicht einschlafen, es ist jede Nacht dasselbe. Wach im Bett zu liegen und auf den Schlaf zu warten, hat er längst aufgegeben. Stattdessen packt er einen Teebeutel ein und geht ein paar Straßen weiter in einen 24-Stunden-Imbiss, wo er um heißes Wasser bittet, seinen Tee trinkt und weiterliest. Der geregelt Tagesablauf, die Art, wie er den Teebeutel in eine Serviette einschlägt und einsteckt, seine Angewohnheit, das Besteck auf dem Tisch des Lokals sorgfältig beiseitezulegen, um anschließend mit dem Esslöffel den Tee umzurühren, erinnert ein wenig an Adrian Monk.

Nahezu jede Nacht kommt auch Teri (Chloë Grace Moretz, "Hugo Cabret") in den Imbiss, eine Prostituierte, die hier auf den Anruf ihres Zuhälters wartet. Ab und an unterhalten sie sich ein wenig. Eines Nachts sieht McCall, dass jemand Teri hart geschlagen hat. Er stellt ihren Zuhälter zur Rede, einen Mann namens Slavi (David Meunier), doch der reagiert nicht. Als Teri dann einige Nächte überhaupt nicht mehr kommt und er sie auf der Intensivstation des Krankenhauses aufstöbert, brutal zusammengeschlagen, sucht er Slavi in seinem Hauptquartier auf, und es folgt die im Trailer gezeigte "16-Sekunden"-Szene. Doch das ist erst der Anfang. Denn Slavi gehört zur Russenmafia, und die schickt nun immer stärkere Gegner gegen McCall ins Feld. Der wiederum hat sich mittlerweile als CIA-Agent im Ruhestand entpuppt und nimmt nun, wenn auch widerstrebend, den Kampf gegen das Böse auf.

"The Equalizer" ist ein nahezu perfekter Thriller, mit gut eingeführten Charakteren, deren Motivation man versteht, schnellem, aber nicht überhastetem Tempo und hoher Spannung. Der Film ist brutal, gewiss, doch er ist nicht effekthascherisch und giert nicht nach dem Applaus des Publikums. Viele Gewaltszenen spart er sogar aus und überlässt den genauen Ablauf der Phantasie des Zuschauers.

Denzel Washington zeigt einmal mehr, was für ein großartiger Schauspieler er ist. Robert McCall ist keine sonderlich schwierige Rolle, viele hätten ihn spielen können. Doch wäre es wohl kaum jemand anderem gelungen, diesem Racheengel in Gestalt eines Lagerarbeiters ein solches Charisma zu verleihen und diesen Moment, wenn er vom Baumarkt- in den Killermodus umschaltet, so verhalten und dennoch klar erkennbar zu gestalten.

Wenn man "The Equalizer" etwas vorwerfen kann, dann nur, dass er sich an einem altbekannten Muster orientiert. Überraschungen und unvorhergesehene Wendungen hält die Handlung nicht bereit. Der Film basiert auf der gleichnamigen Fernsehserie aus den 80er Jahren. Das Motiv des zurückgezogen lebenden, ehemaligen CIA-Agenten/Marshalls/Marine etc., der durch den Tod einer ihm nahestehenden Person aufgerüttelt wird und die Bösen zur Strecke bringt, ist jedoch wesentlich älter. Man kennt die Geschichte, hat sie bereits Dutzende Male gesehen und weiß, wie sie ausgeht. Doch diese Version ist so gut gemacht, dass es einem den Spaß am Film nicht verdirbt.

"The Equalizer" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Dienstag 21 Oktober 2014 17:53

Special Effects bei "X-Men: Days of Future Past"

Geschrieben am Donnerstag 09 Oktober 2014 um 16:38 von Roland Freist

Am Computer lassen sich heute jedes reale oder irreale Objekt und jede nur denkbare Szene gestalten. Wie weit die Technik mittlerweile fortgeschritten ist, demonstriert ein Video von Digital Domain am Beispiel einiger Szenen aus "X-Men: Days of Future Past". Digital Domain wurde 1993 von Scott Ross, James Cameron und Stan Winston gegründet. Das Unternehmen hat seither zu mehr als 100 Filmen Special Effects beigesteuert und zudem etliche Werbespots und Musikvideos produziert.

Eine weitere Special-Effects-Demo finden Sie hier.

Filmkritik: "Gone Girl – Das perfekte Opfer"

Geschrieben am Sonntag 05 Oktober 2014 um 22:07 von Roland Freist

Szenen einer Ehe

Man merkt, dass die Oscar-Saison beginnt. Jetzt kommen die Filme in die Kinos, die sich Hoffnungen auf einen Academy Award machen können. Es geht los mit dem neuen Werk von David Fincher, der mit "Gone Girl" einen spannenden und trickreichen Thriller rund um eine amerikanische Mittelschicht-Ehe vorlegt.

Normalerweise würde ich an dieser Stelle zumindest die wichtigsten Handlungsstränge skizzieren. Doch in diesem Fall geht das nicht, da der Film viel von seinem Reiz aus den abrupten und überraschenden Wendungen der Story bezieht. Lediglich die Ausgangssituation lässt sich schildern, ohne dass Spoiler-Alarm ausgelöst wird.

Nick (Ben Affleck) und Amy Dunne (Rosamund Pike, "Surrogates") sind frisch verheiratet. Sie sind Autoren und leben in New York. Er schreibt für eine Zeitschrift, sie hat eine populäre Serie von Büchern über ein Mädchen mit dem Namen "Amazing Amy" verfasst. Sie sind beide schön, intelligent, erfolgreich und scheinen perfekt zueinander zu passen, der Sex ist atemberaubend. Als er während der Wirtschaftskrise seinen Job verliert und ihnen das Geld ausgeht, ziehen sie nach Missouri, in den kleinen Ort, wo Nick aufgewachsen ist. Dort beginnt es in der Ehe schon bald zu kriseln.

Bis zu diesem Punkt wird die Story wechselweise von beiden Hauptpersonen erzählt. Amy arbeitet ihre gemeinsame Geschichte auf, während sie Tagebuch schreibt, Nick dagegen ist der eigentliche Protagonist, dessen Sicht auf die Dinge die Kamera zeigt.

An ihrem fünften Hochzeitstag geht Nick vormittags in die Bar, die er zusammen mit seiner Schwester Margo (Carrie Coon) führt. Er ist frustriert, trinkt einen Bourbon, beklagt sich über seine Ehe. Als er heimkommt, ist das Haus leer. Der gläserne Couchtisch liegt in Scherben auf dem Boden, von Amy keine Spur. Er ruft die Polizei, die schon bald Blutspuren entdeckt. Doch eine Leiche wird nicht gefunden, Nicks Frau ist einfach weg. Schon bald schalten sich die Medien ein, vornehmlich das Fernsehen, und beginnen das mysteriöse Verschwinden der Frau und Nicks Rolle dabei zu diskutieren. Die Gechehnisse beginnen dadurch eine Eigendynamik zu entwickeln.

An diesem Punkt glaubt man als Zuschauer zu wissen, in welche Richtung die Geschichte laufen wird. Doch weit gefehlt. Fincher manipuliert die Zuschauer, führt sie mit Bildern, immer neuen Details und der gesamten Stimmung in die falsche Richtung. Der Film lügt nicht, alles was gezeigt wird, entspricht der Realität. Doch er sorgt dafür, dass die ersten Erklärungen, die man sich im Kino zurechtlegt, komplett in die falsche Richtung gehen. Und wenn man schließlich glaubt, der Fall sei gelöst, folgt doch noch eine Wendung, und dann noch eine.

Diese Achterbahnfahrt macht natürlich Spaß, vor allem, da "Gone Girl" mit zunehmender Dauer immer mehr Fahrt aufnimmt, ohne allerdings auf das rasante Tempo eines Actionfilms zu beschleunigen. Auf der anderen Seite wird einem beim Verlassen des Kinos im Nachhinein klar, dass sich die Geschichte nur deshalb so entwickeln konnte, da eine der Hauptfiguren psychopathisch ist und nicht rational handelt. Und das ist dann schon etwas ärgerlich, da es einem wie Betrug vorkommt.

Doch es gibt eine gute Entschuldigung. Denn im letzten Akt wird endgültig deutlich, dass es David Fincher nicht um die Geschichte einer Beziehung geht. Er entwirft stattdessen ein Bild von der Ehe an sich, und das ist so atemberaubend zynisch, wie man es seit dem "Rosenkrieg" von Michael Douglas und Kathleen Turner nicht mehr gesehen hat. Mit dem Unterschied allerdings, dass Fincher keine Komödie gedreht hat. "Gone Girl" ist blutiger, teilweise sogar sehr blutiger Ernst.

Unter den Schauspielern sticht vor allem Rosamund Pike heraus. Sie hat ein schönes, interessantes Gesicht und zeigt hier, wie man mit wenig Mimik und einem kleinen Blick ganze Gedankengänge vermitteln kann. Auch die bislang nur wenig bekannte Carrie Coon kann überzeugen, und zwar gerade deshalb, weil sie sich in ihrer Rolle als Nicks nüchtern denkende, leicht sarkastische Schwester stark zurückhält. Ben Affleck dagegen hat schon bessere Performances abgeliefert.

Der erste Akt von "Gone Girl" wirkt recht herkömmlich und ist nicht sonderlich spannend. Ich hatte schon die Befürchtung, dass David Fincher ein bereits mehrfach gesehenes Schema nur leicht abgewandelt und erneut auf die Leinwand gebracht hat. Doch am Schluss saß ich grinsend im Kino und hätte bei einigen Twists und schrägen Details am liebsten applaudiert.

"Gone Girl" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

« September 2014 | Zurück nach oben | November 2014 »