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Archiv vom Juni 2011

Filmkritik: "Transformers 3"

Geschrieben am Donnerstag 30 Juni 2011 um 23:20 von Roland Freist

Die Blechbüchsenarmee, Teil 3

Den ersten "Transformers"-Film mochte ich, das war im Kern eine schön altmodische Teenager-Lovestory. Außerdem hatte er Humor, es gab einige wunderbar skurrile Situationen, die Roboter zeigten zumindest in Ansätzen so etwas wie eigenständige Charaktere, es gab tolle Musik und Ballerszenen, die wirklich Spaß machten. Dass die Story um den Zauberwürfel aus dem All wirr bis unverständlich war und Dutzende letztlich überflüssiger Personen benötigte, fiel da nicht so ins Gewicht.

Der zweite Teil war eine Katastrophe. Er war so belanglos, dass man sich bereits eine halbe Stunde nach Verlassen des Kinos nicht mehr an die Handlung erinnern konnte.

Und jetzt kommt die Nummer Drei. Regisseur Michael Bay hatte sich nach dem zweiten Teil selbstkritisch gezeigt und versprochen, sich dieses Mal wieder etwas mehr anzustrengen. Eine der Lehren, die die Beteiligten aus diesem Desaster gezogen haben, ist offenbar, dass sich auch ein Roboterfilm tunlichst auf die menschlichen Charaktere konzentrieren sollte. Und so geht es die ersten ein bis anderthalb Stunden in erster Linie um Sam Witwicky (Shia LaBoeuf), seine neue Freundin Carly (Rosie Huntington-Whiteley) und seine Versuche, nach abgeschlossenem College einen Job zu finden. Auch seine Eltern tauchen in einer kleinen Nebenrolle wieder auf. Schließlich landet er in der Firma von Bruce Brazos (John Malkovich) als Bürobote. Leider ist das nicht nur genauso uninteressant, wie es sich anhört, sondern auch noch quälend langsam erzählt, ausgestattet mit Dialogen, in denen viel gesprochen und wenig gesagt wird.

Immerhin hat uns jedoch der Vorspann Hoffnung gemacht, dass der Film im weiteren Verlauf noch etwas Spannung aufbauen könnte. Es geht los im Jahr 1961. Die NASA registriert den Einschlag eines Flugobjekts auf der Mondoberfläche. Um der Sache auf den Grund zu gehen und den Russen zuvorzukommen, beschließt die Regierung ein beispiellos ehrgeiziges Raumfahrtprogramm. John F. Kennedy gibt in einer berühmt gewordenen Rede das Ziel aus, bis zum Ende des Jahrzehnts auf dem Mond zu landen. Das gelingt bekanntlich auch, und die Astronauten finden die Trümmer eines außerirdischen Raumschiffs, aus dem sie einige Artefakte bergen.

In der Jetztzeit erfahren die Autobots von dem Fund und erkennen, dass dieses Raumschiff eine Art Brücke mitgebracht hatte, über die ihre Feinde, die Decepticons, ihre gemeinsame Heimatwelt Cybertron auf die Erde übertragen wollen. Bitte frage mich keiner, wie das aussehen soll, ich habe es nicht verstanden. Später erfahren wir, dass bei der Gelegenheit auch gleich noch die ganze Menschheit von den Robotern versklavt werden soll, wobei man sich Gedanken macht, warum Roboter, die nur ab und zu mal ein Kännchen Öl benötigen, auf Sklaven setzen sollten, die regelmäßig nach Schlaf, Nahrung und Wasser verlangen. Aber was soll's. Auf jeden Fall gehen Autobots und Decepticons mal wieder wie beim Stockcar-Rennen aufeinander los. Es knirscht und kracht und rummst, ständig verwandeln sich irgendwelche Roboter, fallen mit Schuss- und Stichwaffen übereinander her, und wie schon bei den beiden ersten Filmen ist oft nur schwer zu unterscheiden, welcher jetzt gerade der gute und welcher der böse Bot ist. Das geht insgesamt etwa anderthalb Stunden so.

Während dieser Zeit hängt man im Kinosessel und sieht mit mäßigem Interesse einer weiteren Transformers-Materialschlacht zu. Auch die Jungs von der Armee sind wieder mit von der Partie und führen die neueste Waffentechnik vor. Ab und zu kommt mal eine Szene, die Interesse und Neugierde weckt, wie die Geschichte wohl weitergehen könnte. Aber das ist innerhalb von Sekunden wieder vorbei.

Michael Bay hat vieles besser gemacht bei diesem Film. Die Autobots verwandeln sich langsamer, man kann die Verschiebung der Einzelteile genauer beobachten. Ihre Kampfszenen sind sorgfältiger choreographiert – Bay sind einige wirklich spektakuläre Bilder und Szenen gelungen. Die Story ist besser durchdacht, und es wurden gute Schauspieler zur Unterstützung angeheuert – neben John Malkovich ist auch Frances McDormand ("Fargo") mit dabei, sie spielt die Oberbefehlshaberin aller Geheimdienste der USA. Auch John Turturro taucht wieder auf.

Trotzdem ist aus "Transformers 3" kein guter Film geworden. Zum einen ist er viel zu lang, die Handlung schleppt sich nur so dahin. Und nach einer halben bis dreiviertel Stunde Roboter-Crashs reicht es einem auch. Leider hat man dann noch nicht einmal die Hälfte der Verschrottungsaktionen gesehen, es geht noch einmal genauso lange so weiter. Es gibt keine Spannungsspitzen, Langeweile kommt auf. Irgendwann hat man dann auch keine Lust mehr, der Story über Verrat, falsche und echte Helden zu folgen, und lässt alles nur noch über sich ergehen. Der Humor des Films ist schlicht, die Witze funktionieren nicht. Und auch die Schauspieler können es nicht rausreißen. McDormand ist eine hervorragende Charakter-Darstellerin, doch man sieht ihr an, dass sie sich in der eindimensionalen Figur der Geheimdienstchefin äußerst unwohl fühlt. Die Rolle von Malkovich ist überflüssig, und er kann sie offensichtlich selber nicht ganz ernst nehmen. Rosie Huntington-Whiteley besitzt deutlich weniger Ausstrahlung als ihre Vorgängerin Megan Fox. Und Shia LaBoeuf ist einfach nur Shia LaBoeuf.

"Transformers 3" wird in den meisten Kinos in 3D gezeigt. Michael Bay hat, um den Fehler anderer 3D-Produktionen zu vermeiden, den gesamten Film etwas aufgehellt, um das Abdunkeln durch die 3D-Brillen auszugleichen. Das funktioniert aber nur zum Teil, meist liegt doch wieder der übliche Grauschleier über den Bildern. Im übertragenen Sinne könnte man das auch über den Film als Ganzes sagen.

"Transformers 3" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Freitag 08 Juli 2011 16:28

Die besten menschlichen Filmbösewichter

Geschrieben am Dienstag 28 Juni 2011 um 14:19 von Roland Freist

Der britische Cutter Henry Hanrahan, von dem ich bereits mehrere andere Zusammenstellungen vorgestellt habe (siehe unten), hat dieses Mal die berühmtesten und charismatischsten Bösen der Filmgeschichte herausgesucht. Wie immer ist das Video aufs Frame genau geschnitten, die Musik von Godspeed You! Black Emperor passt perfekt dazu.

Mitwirkende:

Anton Chigurh (Javier Bardem in "No Country For Old Men")
Don Logan (Ben Kingsley in "Sexy Beast")

Max Cady (Robert De Niro in "Kap der Angst")
Bill "The Butcher" Cutting (Daniel Day Lewis in "Gangs of New York")
Drexl Spivey (Gary Oldman in "True Romance")
Gaear Grimsrud (Peter Stormare in "Fargo")

Clarence Boddicker (Kurtwood Smith in "Robocop")

John Ryder (Rutger Hauer in "Hitcher, der Highway Killer")
Captain Vidal (Sergi López in "Pan's Labyrinth")
Dr. Christian Szell (Laurence Olivier in "Der Marathon Mann")

Alonzo (Denzel Washington in "Training Day")
Mr. Blonde (Michael Madsen in "Reservoir Dogs")
Colonel Kurtz (Marlon Brando in "Apocalypse Now")
Don Lope de Aguirre (Klaus Kinski in "Aguirre, der Zorn Gottes")

Zero Wolf (Raoul Trujillo in "Apocalypto")
Kit (Martin Sheen in "Badlands")
Norman Bates (Anthony Perkins in "Psycho")

Michael Myers ("Halloween")
Ray (Ray Winstone in "Nil by Mouth")

Patrick Bateman (Christian Bale in "American Psycho")
Aileen Wuornos (Charlize Theron in "Monster")

Lord Summerisle (Christopher Lee in "The Wickerman")

Leatherface (Gunnar Hansen in "The Texas Chainsaw Massacre")
Frank Booth (Dennis Hooper in "Blue Velvet")
Paul (Arno Frisch in "Funny Games")

Harry Powell (Robert Mitchum in "Die Nacht des Jägers")

Snoop (Felicia Pearson in "The Wire")
Stuntman Mike (Kurt Russell in "Death Proof")

Hans Gruber (Alan Rickman in "Stirb langsam")
Mr. Blonde (zum zweiten Mal Michael Madsen in "Reservoir Dogs")
Aaron (Edward Norton in "Zwielicht")
Tony Montana (Al Pacino in "Scarface")

Jigsaw (Tobin Bell in "Saw")

Alex Forrest (Glenn Close in "Eine verhängnisvolle Affäre")
Nicky Santoro (Joe Pesci in "Casino")

Baby Jane Hudson (Bette Davis in "Was geschah wirklich mit Baby Jane?")

Harry Lime (Orson Welles in "Der dritte Mann")
Nurse Ratched (Louise Fletcher in "Einer flog über das Kuckucksnest")

Joker (Heath Ledger in "The Dark Knight")

Annie Wilkes (Kathy Bates in "Misery")

John Doe (Kevin Spacey in "Sieben")

Hannibal Lecter (Anthony Hopkins in "Das Schweigen der Lämmer")

Jack Torrance (Jack Nicholson in "Shining")
Alex (Malcom McDowell in "Uhrwerk Orange")

Weitere Videos von Henry Hanrahan in diesem Blog:

Die besten Sprüche von Arnold Schwarzenegger

Die schönsten Ausraster von Nicolas Cage

"Get out of there!"

Bearbeitet: Dienstag 28 Juni 2011 15:34

Die schönsten Ohrfeigen der Filmgeschichte

Geschrieben am Mittwoch 22 Juni 2011 um 14:13 von Roland Freist

Eine neue Zusammenstellung von Jeff Smith, der bereits eine sehr beliebte Dialogzeile nachverfolgt hat:

Eine Liste der Filme finden Sie hier.

Update: Jeff Smith hat inzwischen nachgelegt und einen zweiten Teil seiner Watschn-Sammlung veröffentlicht:

Die Liste der Filmtitel steht hier.

Bearbeitet: Dienstag 10 November 2015 17:50

Filmkritik: "The Tree of Life"

Geschrieben am Freitag 17 Juni 2011 um 23:02 von Roland Freist

Der Film des Lebens

"The Tree of Life" ist der fünfte Film von Terrence Malick, und in mancherlei Hinsicht ist er eine Art Zusammenfassung des bisherigen Werks dieses Regisseurs, seines eigenen Lebens und seiner Philosophie. Man findet darin Elemente aus "Badlands", seinem ersten Film von 1973 – die Ruhe und der Frieden der Provinz, die manchmal in Einsamkeit umschlagen können, oder das Wispern der Stimmen, das bereits in "Der schmale Grat" zu hören war. Und immer wieder die Beschäftigung mit der Natur, das Staunen über ihre Schönheit und ihre vielfältigen Erscheinungsformen und natürlich, ebenfalls immer wieder, der Blick zum Himmel.

Das Thema des Films ist schwer zu beschreiben. "The Tree of Life" vermischt eine Meditation über die Entstehung der Welt mit Erinnerungen an eine Kindheit in den 50er Jahren. Doch am Anfang steht zunächst ein Todesfall: Mr. O'Brien (Brad Pitt) und seine Frau erfahren, dass einer ihrer drei Söhne gestorben ist. In wunderschönen Bildern blickt der Film nun zurück und erzählt von der Kindheit der Jungen und vom Leben der Familie in einem kleinen Ort in Texas. Hier spielen offensichtlich zahlreiche autobiographische Elemente mit hinein – Malick wuchs auf in Waco, Texas. Es sind Erinnerungsfetzen, die er nun aneinanderreiht, unzusammenhängende Szenen wie ein Ballspiel auf einer Wiese, ein Einbruch mit anderen Kindern in ein verlassenes Haus, Abendessen im Kreis der Familie, Auseinandersetzungen mit dem autoritären Vater, der warme Wind, der durch die stets offenen Fenster streicht und die Vorhänge bewegt. Es gibt keine Story, stattdessen sieht man zu, wie die Bilder im Bewusstsein aufsteigen. Und immer wieder der Blick zum Himmel, in die Baumkronen, durch die die Strahlen der Sonne fallen.

Zwischendurch gleitet der Film hinüber in die Jetztzeit. Sean Penn spielt dort den ältesten Bruder, der mittlerweile ein erfolgreicher Architekt geworden ist. Es sind teilweise auch seine Erinnerungen, die der Film zeigt.

Und dann der Schnitt zum Anbeginn der Zeit. Bilder des Hubble-Teleskops, ferne Sternennebel, man sieht, wie sich der Staub zusammenballt und Planeten formt. Die Erde entsteht, ist zunächst bedeckt von Magma-Strömen, die allmählich abkühlen. Es bilden sich die Ozeane, das erste Leben, Einzeller, dann komplexere Organismen, die schließlich auch das Land erobern. Man sieht Dinosaurier an den Ufern eines Flusses, es folgt der Einschlag eines Asteroiden, Malick zeigt ihn von außen, aus dem Weltall, die gewaltige Welle aus Wasser und Staub, die er auslöst und die das urzeitliche Leben auslöscht. Und plötzlich sind wir wieder in den 50er Jahren, und die Kamera blickt wieder nach oben, folgt Treppen in den ersten Stock von Familie O’Brien oder sieht in der Kirche hinauf zur Orgel.

Terrence Malick dreht mit "The Tree of Life" das ganz große Rad. Es geht um das Leben an sich, um seine Entstehung, seine Schönheit und seine Vergänglichkeit. Der Mann ist Pantheist, das wusste man vorher bereits, der Mensch ist für ihn immer ein Teil der Natur. Die atemberaubenden Bilder, die er von der Entstehung der Galaxien zeigt, stehen gleichberechtigt neben Aufnahmen von den spielenden Kindern. Überhaupt: die Bilder. Neben anderen Filmen – und vor allem neben den von Grauschleiern überzogenen 3D-Machwerken des letzten Jahres – wirkt "The Tree of Life" wie ein HD-Film neben dem Bild eines älteren Röhrenfernsehers. Die Bilder weisen eine wunderbare Klarheit auf, sie sind in einem sanften, weichen Licht fotografiert. Teilweise fühlt man sich durch ihre Komposition an Naturaufnahmen in teuren, großformatigen Kunstdruckkalendern erinnert, trotzdem wird der Film niemals effekthascherisch. Bei der Szene mit den Dinosauriern allerdings, die ein wenig an die Raptoren aus "Jurassic Park" erinnerten, kam schon der Eindruck auf, dass Malick sich teilweise etwas verrannt hat. War dann aber schnell wieder vorbei.

"The Tree of Life" ist ein guter Film, aber kein Film für jedermann. Es gibt, wie gesagt, keine Handlung im eigentlichen Sinne, stattdessen muss man bereit sein, sich auf den Bilderfluss einzulassen und auf die Stimmungen, die er transportiert. Das Leben, wie Malick es beschreibt, ist wie ein Bewusstseinsstrom ohne Ziel und festgelegte Dramaturgie, und sein Film setzt das meisterhaft um.

"The Tree of Life" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Eine Einführung in die vorherigen Filme von Terrence Malick gibt es hier in diesem Blog.
Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:16

Standardsätze in Hollywood-Filmen (3)

Geschrieben am Mittwoch 15 Juni 2011 um 11:31 von Roland Freist

"You just don't get it, do you?" – wie verbreitet dieser Satz in Hollywood-Drehbüchern tatsächlich ist, zeigt sehr schön die folgende Zusammenstellung:

Eine Liste der Filme gibt es hier.

Weitere Beiträge aus dieser Reihe:

"We've got company."

"Get out of there!"

"Now if you'll excuse me..."

"Blah blah blah"

Bearbeitet: Mittwoch 15 Juni 2011 12:02

Die Filme von Terrence Malick

Geschrieben am Sonntag 12 Juni 2011 um 15:01 von Roland Freist

Der Amerikaner Terrence Malick hat seit den 70er Jahren gerade einmal fünf Spielfilme gedreht und ist dennoch einer der berühmtesten Regisseure der Welt. Das liegt zum einen an der gleichbleibend hohen Qualität seiner Filme – sein erster, "Badlands", gehört zu den zehn besten Filmen, die ich je gesehen habe, der zweite, "In der Glut des Südens" ("Days of Heaven"), kommt zumindest in die erweiterte Auswahl. Und auch "Der schmale Grat" ("The Thin Red Line") und "The New World" haben aufgrund der individuellen Handschrift von Malick einen ganz eigenen Reiz. Zum anderen beruht die Legende, die sich mittlwerweile um diesen Regisseur rankt, auch darauf, dass er sich nur äußerst selten in der Öffentlichkeit zeigt. In den späten 70ern und während der 80er Jahre war er teilweise komplett untergetaucht. Und als sein letzter Film, "The Tree of Life", vor einigen Wochen in Cannes die Goldene Palme gewann, blieb er der Preisverleihung einfach fern.

In dieser Woche läuft "The Tree of Life" nun auch bei uns an. Anlässlich des amerikanischen Kinostarts hatte der amerikanische Filmkritiker Matt Zoller Seitz im Auftrag der Filmgeschichte-Site Moving Image Source unter dem Titel "All Things Shining" Videoessays zusammengestellt, die die Entwicklung und den Stil der ersten vier Malick-Filme analysieren. Sie empfehlen sich für jeden, der sich für diesen Regisseur interessiert oder vor dem Besuch von "The Tree of Life" einfach nochmal seine Erinnerungen an die Filme auffrischen will.

"All Things Shining", Teil 1, der Videoessay zu "Badlands":

Teil 2, "In der Glut des Südens" ("Days of Heaven"):

Teil 3, "Der schmale Grat" ("The Thin Red Line"):

Teil 4, "The New World":

Bearbeitet: Sonntag 31 Mai 2015 18:54

Filmkritik: "Source Code"

Geschrieben am Donnerstag 02 Juni 2011 um 22:45 von Roland Freist

Acht Minuten bis zur Ewigkeit

Erinnert sich noch jemand an die Serie "Seven Days"? An den ehemaligen CIA-Agenten Frank Parker, der in jeder Folge bis zu sieben Tage in die Vergangenheit geschickt wurde, um Verbrechen oder Katastrophen zu verhindern? Etwas Ähnliches geschieht auch in "Source Code". Obwohl – eigentlich ist es ja keine Zeitreise, die der Film beschreibt, sondern …

An dieser Stelle eine kurze Warnung: Wer mehr als die ersten, sagen wir mal, zehn Minuten der Handlung erzählt, muss wohl oder übel einige Geheimnisse verraten, die der Film der größeren Spannung wegen zunächst noch für sich behält. Also, ab hier schrillt der Spoiler-Alarm.

Colter Stevens (Jake Gyllenhaal), ein Hubschrauber-Pilot, der zuletzt in Afghanistan stationiert war, erwacht in einem Vorortzug kurz vor Chicago. Ihm gegenüber sitzt eine Frau, die er nie zuvor gesehen hat, er findet heraus, dass ihr Name Christina Warren (Michelle Monaghan) ist. Er ist verwirrt, weiß nicht, wie er hierhergekommen ist und warum ihn diese Frau, die ihn offensichtlich sehr gut kennt, fortwährend "Sean" nennt. Er geht auf die Toilette, die Kamera folgt ihm und zoomt die Details heran: der Kaffee, den eine Frau aus Versehen auf seinen Schuh tropfen lässt, die Blicke, die ihm folgen, Menschen, die telefonieren oder in ihr Notebook starren, alles könnte wichtig sein. Stevens schließt die Kabine, schaut in den Spiegel – ein fremdes Gesicht sieht ihn an. Sein Führerschein sagt ihm, dass es einem Sean Fentress gehört, einem Lehrer. Kurz darauf explodiert im Zug eine Bombe, Stevens stirbt ...

... und wacht wieder auf, diesmal in seinem eigenen Körper. Er ist eingesperrt in einer engen Metallkabine, die in einem ziemlich schlechten Zustand ist. Überall lecken Flüssigkeiten heraus, zeitweise fällt die Frischluftzufuhr aus. Über ein Videosystem spricht eine Frau mit ihm. Sie heißt Colleen Goodwin (Vera Farmiga), ist vom Militär und erklärt ihm, dass der Zug, in dem er eben saß, einige Stunden zuvor tatsächlich in die Luft gesprengt worden sei. Es habe keine Überlebenden gegeben. Man habe jedoch die letzten acht Minuten der Erinnerungen von einem der Passagiere retten können, eben von Sean Fentress. Colter Stevens erfährt weiterhin, dass die Militärwissenschaftler ihn – und hier verschwimmt die Logik doch ziemlich – in diese Erinnerungen mit irgendwelchen quantentheoretischen Tricks hineinversetzt haben. Es handelt sich also nicht um eine Zeitreise, sondern um eine Projektion. Alles, was Stevens dort macht und tut, hat auf die Realität keinerlei Auswirkungen, denn er befindet sich ja in einer Aufzeichnung. Seine Aufgabe ist es lediglich, die Bombe und auch den Bombenleger zu finden und diese Informationen an die Militärs in der Realität von Colter Stevens weiterzugeben, um weitere Anschläge zu verhindern. Da die Aufzeichnung immer wieder abgespielt werden kann, hat er eine praktisch unbegrenzte Zahl von Versuchen. Trotzdem muss er sich beeilen, denn die nächste Bombe wartet schon.

Die folgenden Wiederholungen der acht Minuten vor der Explosion haben etwas von "Und täglich grüßt das Murmeltier". Genau wie damals Bill Murray kann sich Stevens an die vorherigen Versuche erinnern, er lernt dazu, beginnt Beziehungen zu den Figuren in der Projektion aufzubauen, wohl wissend, dass sie allesamt bereits tot sind. Oder nicht? Doch solche Fragen sollte man sich bei diesem Film lieber nicht stellen. Denn was würde beispielsweise passieren, wenn Stevens in der Projektion die Bombe entschärft? Der Film weiß darauf eine Antwort, überzeugend ist sie allerdings nicht.

Doch es ist auch nicht diese Zeitreisen- oder Projektions-Story, die "Source Code" auszeichnet, sondern die Art und Weise, wie sich Colter Stevens in dieser zunächst fremden Welt zurechtfindet. Sean Fentress, dessen Körper er benutzt, hatte eine Beziehung zu Christina, aber beide wussten offenbar nicht so genau, wie die genau aussah. Auf der anderen Seite wird ihm nach und nach klar, und das ist auch für den Zuschauer ein Schock, was es mit dieser Metallkammer auf sich hat, von der aus er immer wieder in die letzten acht Minuten von Sean Fentress‘ Leben eintaucht. Es braucht mehrere Anläufe, bis Stevens in beiden, nun ja, Realitäten weiß, was zu tun ist. Es ist spannend, diesen Prozess mitzuverfolgen, vor allem da der Kenntnisstand des Zuschauers immer dem des Hauptdarstellers entspricht. Genau wie Colter Stevens beginnt er zu Beginn des Films bei Null und tastet sich dann langsam vor.

Wie bereits in "Moon" konfrontiert Regisseur Duncan Jones seinen Protagonisten auch in "Source Code" mit einer Wirklichkeit, die zunächst verborgen und dann umso verwirrender ist. Doch sobald Stevens die Realität akzeptiert hat, findet er auch einen Ausweg. Alles wird gut.

"Source Code" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Sonntag 03 Juli 2011 16:18

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