« März 2017 | Startseite | Mai 2017 »

Archiv vom April 2017

Filmkritik: "Guardians of the Galaxy Vol. 2"

Geschrieben am Freitag 28 April 2017 um 0:00 von Roland Freist

Superhelden im LSD-Rausch

Als ich etwa 18, 19 Jahre alt war, hatte ich einige experimentierfreudige Mitschüler, die sich von Zeit zu Zeit bekifft Filme ansahen. Kubricks "2001" kam ihnen zufolge ganz gut, Fassbinders "Querelle" dagegen war wohl ein ziemlicher Flop. "Guardians of the Galaxy Vol. 2" hätten sie geliebt. Denn der Film ist bunt, regelrecht quietschbunt, in etwa so wie die Batman-Filme von Joel Schumacher, allerdings deutlich lustiger. Insgesamt wirkt er, als wäre er im LSD-Rausch designt worden.

Regisseur James Gunn hat alles übernommen, was im ersten Teil gut funktionierte, den Humor, die fünf Helden mit der zweifelhaften Intelligenz, die Musik, und er hat alles weggelassen, was schon damals scheiterte, darunter vor allem den Versuch, eine nachvollziehbare, spannende Handlung aufzubauen. Der zweite Guardians-Film ist über weite Strecken hinweg eine Aneinanderreihung mittelmäßiger, teilweise aber auch wirklich guter Witze, die größtenteils auf Kosten der fünf Protagonisten gehen. Das sind erneut Peter Quill a. k. a Star-Lord (Chris Pratt), die grünhäutige Gamora (Zoe Saldana), der tätowierte Muskelberg Drax (Dave Bautista), der schießwütige Waschbär Rocket (im Original mit der Stimme von Bradley Cooper) sowie Baby Groot, der Ableger des im ersten Teil gestorbenen Baumwesens Groot, erneut gesprochen von Super-Macho Vin Diesel.

Um diese Figuren herum haben die Drehbuchschreiber ein dürres Handlungsgerüst aufgebaut, das im Wesentlichen daraus besteht, dass Peter Quills Vater in Gestalt von Kurt Russell auftaucht. Er entpuppt sich als ein Millionen Jahre alter Gott und ist gleichzeitig ein Planet, der in seiner psychedelischen Farben- und Formenpracht aussieht wie der Realität gewordene Traum eines 70er-Jahre-Drogenfressers. Aber auch abseits von den Quills geht es viel um Familie und Vater-Sohn-Beziehungen, vermutlich soll das sogar das Grundmotiv des gesamten Films darstellen.

Die passende Musikuntermalung dazu ist natürlich "Father and Son" von Cat Stevens. Aber auch der Rest des Soundtracks ist mit feinem Gespür ausgesucht, angefangen von "Mr. Blue Sky" von ELO über "The Chain" von Fleetwood Mac bis hin zu George Harrisons "My Sweet Lord", dem ständig wiederholten Gegreine, wie gern er doch seinen Gott sehen würde.

"Guardians of the Galaxy Vol. 2" wirkt wie eine große, fröhliche Mottoparty, bei der Geld keine Rolle spielt. Es werden exotische Drogen gereicht, die Musik passt, man trifft viele gute Bekannte (in Cameo-Rollen treten unter anderem Sylvester Stallone, David Hasselhoff, Ving Rhames und Michelle Yeoh auf) und alle sind gut drauf. Der erste Teil war besser, da er zumindest ansatzweise noch so etwas wie eine Spannungskurve hatte. Diesmal gibt es im dritten Akt einige nicht zu übersehende Längen. Aber hey, alles in allem ist Guardians 2 dann doch ziemlich groovy.

"Guardians of the Galaxy Vol. 2" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Dienstag 08 August 2017 22:44

Filmkritik: "Free Fire"

Geschrieben am Donnerstag 06 April 2017 um 23:22 von Roland Freist

Feuer frei

Seit einigen Jahren lässt sich eine Neuorientierung des Actionfilms beobachten. Streifen wie "The Raid", "John Wick" oder, mit Abstrichen, "Lone Survivor", verzichten auf große Handlungsbögen, ausgefeilte Charakterzeichnungen und die klassischen, muskelbepackten Genrestars wie die drei großen S (Snipes, Stallone, Schwarzenegger). Stattdessen nehmen sie sich eine Situation vor, die Erstürmung eines Hochhauses in Jakarta oder die Flucht vor einer Gruppe von Talibankriegern in Afghanistan, und studieren sie wie unter einem Mikroskop. Jedes Detail ist wichtig. Trotz erkennbar mickrigem Budget geben sich alle Beteiligten größte Mühe, jedes Detail so perfekt zu gestalten wie es nur irgend geht. Dies sind Filme, die Action ernst nehmen.

In diese noch recht junge Tradition reiht sich nun "Free Fire" ein. Das Szenario ist ein Waffendeal im Boston der späten 70er Jahre. Zwei Gruppen von Gangstern treffen sich in einer alten Lagerhalle, die eine Gruppe hat die Sturmgewehre, die andere das Geld. Zu Anfang lernt man die einzelnen Protagonisten ein wenig kennen, es sind Gestalten von zweifelhafter Intelligenz, abgebrüht, professionelle Kriminelle.

Wie immer in solchen Fällen ist die Stimmung spannungsgeladen. Jedem Beteiligten ist klar, dass ein falsches Wort, eine falsche Bewegung, die Situation eskalieren lassen kann. Alle sind daher krampfhaft um Ruhe bemüht. Doch dann löst ein privater Konflikt tatsächlich die Katastrophe aus.

Es folgt ein brillant inszenierter Kampf jeder gegen jeden, einziger Schauplatz ist die alte Lagerhalle. Der Schuppen ist abbruchreif, der Boden bedeckt von Müll und Bauschutt. Der Weg zum Ausgang bietet keine Deckung, alle Beteiligten, es sind acht Personen, müssen hinter Betonstücken, Säulen, Kisten Deckung suchen. Bereits nach wenigen Minuten hat jeder von ihnen mindestens einen Streifschuss abbekommen. Es bilden sich kleine Grüppchen, die sich schnell wieder auflösen, Duelle entstehen, bis wieder ein neuer Gegner ins Schussfeld gerät und die Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Die Handkamera schwenkt interessiert von einem Protagonisten zum anderen.

Die Audiospur ist erfüllt mit den Geräuschen der Schüsse, dem Zischen, Sirren, Pfeifen der umherfliegenden Kugeln, den dumpfen Einschlägen in Holz oder Beton, dem Pling und Bong der Abpraller. Dazu kann man auch die einzelnen Waffenmodelle am Sound unterscheiden, die kleinen Revolver, die Pistolen und natürlich die Sturmgewehre. Das Soundediting ist meisterhaft, jedem Schuss lassen sich problemlos die Waffe und sogar der Ort und die Figur zuordnen, die sie abgeschossen hat.

Einige der Schauspieler kennt man bereits, allen voran Cillian Murphy ("Batman Begins"), aber auch Sam Riley ("On the Road"), Armie Hammer ("Codename U.N.C.L.E.") oder Brie Larson ("21 Jump Street"), die anderen kommen eher aus der dritten Reihe. Keiner von ihnen dürfte mit diesem Film viel Geld verdient haben. Der englische Regisseur Ben Wheatley war bisher vor allem im Reich der unterfinanzierten Action- und Horrorstreifen unterwegs, er weiß, wie man mit einem kleinen Budget auskommt. Unterstützung bekam er übrigens von Altmeister Martin Scorsese, der als ausführender Produzent agierte.

"Free Fire" ist ein schmutziger, kleiner Genrefilm, der nichts anderes will als die perfekte Actionszene zu schaffen. Dazu hat Wheatley die großen Vorbilder der Filmgeschichte studiert, der Einfluss etwa von Tarantinos "Reservoir Dogs" oder Michael Manns "Miami Vice" (der Film) ist deutlich zu erkennen. Zieht man das Vorgeplänkel ab, nimmt er sich für eine Szene, die normalerweise nur wenige Minuten dauert, eine ganze Stunde Zeit. "Free Fire" ist eine Hommage an die großen Shootouts der Filmgeschichte und zeigt gleichzeitig, was man aus diesen Szenen noch herausholen kann.

"Free Fire" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Freitag 07 April 2017 0:08

« März 2017 | Zurück nach oben | Mai 2017 »