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Archiv vom April 2014

Filmkritik: "Transcendence"

Geschrieben am Sonntag 27 April 2014 um 22:07 von Roland Freist

Hallo Computer

Die Geschichte von dem Menschen, dessen Bewusstsein in einen Computer transferiert wird, beziehungsweise von dem Rechner, der ein menschliches Bewusstsein entwickelt, dürfte ungefähr so alt sein wie Johnny Depp, also um die 50. Das Motiv taucht in zahllosen Science-Fiction-Filmen auf, zuletzt in "Her", und wird auch in mehreren SF-Serien behandelt, von "Star Trek" bis "Stargate". Viele, oder vielleicht sogar die meisten Zuschauer, dürften also einen Vergleich anstellen können zwischen einem neuen Film wie "Transcendence" und seinen Vorgängern. Und dabei schneidet "Transcendence" nicht gut ab.

Anfangs langweilt einfach nur die Geschichte, denn man ahnt bereits, worauf alles hinausläuft: Will Caster (Johnny Depp) und seine Frau Evelyn (Rebecca Hall) sind Wissenschaftler, die daran arbeiten, Computern ein menschliches Bewusstsein zu geben, ihnen Emotionen beizubringen. Da wird Will Opfer des Anschlags einer terroristischen Gruppe, die jegliche Forschung zu diesem Gegenstand unterbinden will. Er überlebt schwer verletzt, hat jedoch nur noch wenige Wochen zu leben. Seine Frau und ein Kollege namens Max Waters (Paul Bettany) helfen ihm daher dabei, sein eigenes Bewusstsein in das Computer-System zu kopieren. So weit, so gut: Diesen Teil der Geschichte haben Science-Fiction-Freunde bereits mehrfach gesehen.

Dann schlägt der Film allerdings eine Richtung ein, die man nicht erwartet hatte. Und wird dabei prompt immer schlechter. Will verlangt, online gehen zu dürfen, und bekommt auch einen Internet-Zugang spendiert. Auch die nächsten Szenen kannte man bereits: Er verdient innerhalb weniger Stunden eine Menge Geld und infiltriert in kürzester Zeit sämtliche Computer dieser Welt (nebenbei lernen wir mal wieder, dass das Internet böse und eine Bedrohung für die Zivilisation ist). Von da an wird die Geschichte immer bizarrer: Will entwickelt aus ungeklärten Gründen totalitaristische Tendenzen und will sich gleichzeitig in einem Rechenzentrum in der Wüste verstecken – natürlich mit Internet-Anbindung. Er forscht zur Nanotechnologie und entwickelt Naniten, die sich als wahre Wundermaschinen erweisen, denn sie können nicht nur menschliches Gewebe regenerieren und sich als bewusstseinssteuernder Chip ins Gehirn setzen, sondern auch Solarzellen bauen und reparieren sowie auf der anderen Seite massive Stahlrohre zerstören. Irgendwann kommt Paul Bettany zu der Erkenntnis, dass jetzt nur noch ein Virus helfen kann, der sowohl Will wie auch sämtliche Computer der Welt abschaltet. Und so geschieht es dann auch.

"Transcendence" schert sich kein bisschen um auch nur einen Hauch von Glaubwürdigkeit. Dass Programmcode immer noch Zeile für Zeile über Bildschirme läuft, mit einer Geschwindigkeit, dass man mitlesen könnte: geschenkt. Dass grafische Oberflächen unbekannt sind: ebenfalls geschenkt. Aber danach folgen so viele Ungereimtheiten, dass man gar nicht weiß, wo man anfangen soll: Wie kann man innerhalb von 24 Stunden ein Unternehmen gründen und damit sofort Gewinn machen? Wieso sprechen die von Computer-Will ferngesteuerten Menschen plötzlich mit seiner Stimme? Wieso kommen die Nanniten aus der Erde heraus und steigen in die Luft, als gäbe es keine Schwerkraft? Ha! Das weiß ich: Weil's cool aussieht. Aber warum kann man diese nur wenige Nanometer großen Konstruktionen überhaupt sehen? Wieso schickt die amerikanische Armee für die Zerstörung von Wills Rechenzentrum gerade einmal ein (in Zahlen: 1) Artilleriegeschütz und bombardiert die Einrichtung nicht? Ohnehin sollte es möglich sein, das Hauptquartier übers Internet zu orten und dann einfach die Leitungen zu kappen. Und warum kann Will jeden Rechner der Welt übernehmen? Haben die Drehbuchautoren nie etwas von Firewalls gehört?

Je länger der Film dauert, desto mehr ärgert man sich über diese Kleinigkeiten, denn sie summieren sich. Hinzu kommt, dass man mit der Figur des Will Caster, der eigentlich ein tragischer Held ist, nicht warm wird, da man seine Beweggründe nicht versteht. Der Zuschauer wird sogar im Unklaren gelassen, ob dieses Computer-Bewusstsein überhaupt Will Caster ist. Auch Rebecca Hall hatte offenbar Schwierigkeiten mit ihrem Film-Ehemann, denn zwischen ihr und Johnny Depp springt in keiner Szene der Funke über. Und nicht einmal Depp selbst scheint seine Figur zu durchschauen, er bleibt für seine Verhältnisse blass.

"Transcendence" wurde von Wally Pfister gedreht, der bislang ausschließlich als Kameramann tätig war. Christopher Nolan heuert ihn gerne an und hat mit ihm die Batman-Trilogie und "Inception" gemacht. Pfister findet auch hier wieder schöne Bilder von den endlosen Fluren des unterirdischen Rechenzentrums und den im Dunkeln blinkenden Lichtern der Computer mit den "Quantenprozessoren". Er ist in Hollywood hoch angesehen, weshalb er wohl neben Depp, Hall und Bettany auch noch Morgan Freeman und Cillian Murphy für den Cast verpflichten konnte. Doch keiner der Schauspieler lebt hier wirklich auf.

Insgesamt ist "Transcendence" eine Enttäuschung. Die Geschichte ist über weite Strecken langweilig, hat große Löcher und wirkt unglaubwürdig. Der Schluss lässt einen weitgehend kalt, dafür sind die Dialoge in diesen letzten Minuten umso pathetischer. Es kommt so gut wie keine Spannung oder Dramatik auf, und die Special Effects sind nichts Besonderes. Einige schöne Bilder und große Stars allein machen eben noch keinen guten Film.

"Transcendence" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

1001 Filme, die man gesehen haben muss

Geschrieben am Dienstag 22 April 2014 um 11:13 von Roland Freist

Jonathan Keogh hat auf Basis des Buchs von Steven Jay Schneider in rund einjähriger Arbeit Ausschnitte aus 1001 Filmen zu einem rund zehnminütigen Video zusammengeschnitten. Und der Aufwand hat sich gelohnt, es ist ein toller Film geworden.

Filmkritik: "The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro"

Geschrieben am Donnerstag 17 April 2014 um 22:43 von Roland Freist

Die neuen Leiden des jungen P. P.

Zugegeben: Ich hatte von diesem Film nicht viel erwartet. Was soll auch noch passieren im mittlerweile fünften Spider-Man-Epos, welche Bösewichter sollen dem Spinnenmann denn noch gefährlich werden können, welche Bilder hat man noch nicht gesehen? Aber nachdem die etwas langatmige Einführungsphase vorbei war, wurde der Film besser und besser und schließlich sogar richtig gut. Und er zeigte, dass man aus der Figur der hilfsbereiten Spinne von nebenan tatsächlich noch neue Aspekte herausholen kann.

Natürlich drängt sich immer der Vergleich mit den ersten drei Spider-Man-Filmen von Sam Raimi auf, mit Tobey Maguire in der Titelrolle. Vor allem der zweite Teil ist einer der besten Superhelden-Filme überhaupt, es geht um Moral und Verantwortung und um einen Helden, der in einem ständigen Zwiespalt steckt zwischen dem Wunsch nach dem normalen Leben eines Jugendlichen auf der einen und der Verpflichtung, in Notfällen anderen zu helfen, auf der anderen Seite.

Der neue Spider-Man, Entschuldigung: Amazing Spider-Man, ist im Vergleich dazu leichtgewichtiger. Sein Held Peter Parker, gespielt von Andrew Garfield, schlägt sich vor allem mit den typischen Problemen von jungen Erwachsenen um die 20 herum, sprich: Er hat Beziehungsprobleme mit seiner Freundin Gwen (Emma Stone). Außerdem will er das große Rätsel seines Lebens lösen, nämlich wie und warum seine Eltern (Campbell Scott und Embeth Davidtz) umgekommen sind und was das mit seinen Spinnenkräften zu tun hat. Der Zuschauer, der eventuell den ersten Teil nicht gesehen hat, erfährt das aus einer kleinen Vorgeschichte.

In der Zwischenzeit wird Spider-Man von gleich drei beeindruckenden Bösen in Atem gehalten. Da ist zum einen Aleksei Sytsevich (Paul Giamatti), bei dem bereits das Stacheldraht-Tattoo auf seiner Stirn einen Hinweis darauf gibt, dass es sich bei ihm nicht um einen Fan von Ruhe und Ordnung handelt. Er will mit einigen Kumpeln den gepanzerten Transport eines hochexplosiven und, na klar, radioaktiven Materials in seine Gewalt bringen und feiert am Schluss noch einmal Auferstehung als Pilot eines metallenen Rhinozerosses.

Es folgt die Geschichte von Electro (Jamie Foxx), eines Elektro-Ingenieurs, der nach einem Unfall mit einem Starkstromkabel als eine Art lebender Akku durch die Welt läuft und Rache sowohl an seinem Arbeitgeber wie auch an Spider-Man und der gesamten Stadt New York nehmen will. Und schließlich taucht auch noch Spideys alter Freund Harry Osborn (Dane DeHaan) auf, der sich dann in den Green Goblin verwandelt und mit seinem fliegenden Surfbrett Jagd auf den Spinnenmenschen macht.

Alle diese Figuren sind sorgfältig in die Geschichte integriert. Sie haben ein Motiv für das, was sie tun, und auch wenn es kein gutes Motiv ist, versteht man zumindest, was sie antreibt. Auch die Charaktere von Peter Parker und seiner Gwen sind gut gezeichnet und wirken lebendig. Man merkt, dass das Drehbuch von Leuten stammt, die etwas von ihrem Job verstehen, nämlich Alex Kurtzman und Roberto Orci, die unter anderem die Serie "Fringe" sowie "Die Insel" und die beiden neuen "Star Trek"-Filme schrieben (allerdings auch den zweiten "Transformers"-Streifen).

Die beiden Hauptdarsteller passen ausgezeichnet in diese Geschichte hinein. Emma Stone und Andrew Garfield bringen genau die erforderliche Leichtigkeit ein, um diese angehenden Studenten glaubhaft erscheinen zu lassen. Mit Paul Giamatti und dem Oscar-Preisträger Jamie Foxx hat man zudem auch zwei echte Könner für die Bösewichter-Rollen verpflichtet.

Und schließlich geht es bei Filmen dieser Art natürlich immer auch um die Bildeffekte. Da muss man vor allem auf die Kameraarbeit von Daniel Mindel verweisen, der ebenfalls bereits bei den beiden "Star Trek"-Filmen dabei war und hier wunderbar suggestive Bilder zeigt, wie ich sie noch nie in einem ähnlichen Film gesehen habe. Bei den Special Effects wurde, wie nicht anders zu erwarten, nicht gespart. Sie sind sauber ausgeführt und besitzen einen hohen Unterhaltungswert, etwas wirklich Spektakuläres und bisher nicht Gesehenes ist allerdings nicht dabei. Die 3D-Effekte sind sauber ausgeführt und an zwei oder drei Stellen tatsächlich innovativ und originell, unbedingt gesehen haben muss man sie allerdings nicht. Und noch ein Wort zur Filmmusik: Sie entstand in einer bislang einmaligen Kooperation zwischen Hans Zimmer, Pharrell Williams und Johnny Marr von The Smiths.

"The Amazing Spider Man 2" ist ein hervorragend gemachter Abenteuerstreifen. Er verzichtet weitgehend auf das Düstere und Grüblerische der Filme von Sam Raimi und will in erster Linie Spaß machen, ohne dabei allerdings oberflächlich und beliebig zu werden. Es ist vermutlich der am besten produzierte Film des gesamten Jahres.

"The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Dienstag 22 April 2014 11:25

Die Geschichte des Filmtrailers

Geschrieben am Mittwoch 16 April 2014 um 15:07 von Roland Freist

Die Filmexperten von Filmmaker IQ haben einen schönen, informativen Kurzfilm zur Entstehung und Entwicklung des Trailers gedreht und mit Beispielen angereichert.

Filmkritik: "The Lego Movie"

Geschrieben am Donnerstag 10 April 2014 um 21:47 von Roland Freist

"Transformers" for Kids

Als Kind besaß ich einen Legokasten, einen flachen, quadratischen Holzkasten mit vielleicht einem Dutzend Fächern, in die eine Auswahl der Standard-Legosteine einsortiert war. Dazu gab’s ein Legobuch, hauptsächlich ein Bilderbuch, in dem mit wenig Text die Geschichte von zwei Kindern erzählt wurde, die an einem Regentag daheim bleiben müssen und anfangen, Wolkenkratzer und andere Bauten aus Lego zu konstruieren. Das Buch zeigte die Ergebnisse stimmungsvoll beleuchtet in Fotos und wollte damit die Lust wecken, eigene Phantasien umzusetzen. Doch trotz einiger Erweiterungen für meinen Kasten reichten die Steine dafür natürlich niemals aus. "The Lego Movie" sieht aus, als habe man einigen Kindern eine unbegrenzte Zahl von Steinen zur Verfügung gestellt und sie hätten nun begonnen, alle ihre Mythen und Geschichten in riesigen, grellbunten Szenarien zu erzählen. Und das ist gar nicht einmal so falsch, wie wir am Ende erfahren.

Der ganze Film wirkt so, als hätten hier einige Kinder alles umgesetzt, was ihnen Spaß macht: Es gibt riesige Explosionen, Superhelden wie Batman, Superman, Wonder Woman und Green Lantern treten auf, außerdem kommen populäre Figuren wie Gandalf, Dumbledore, Han Solo und Shaquille O’Neal zum Zuge (die natürlich oftmals nur in den USA wirklich bekannt sind). Hauptfigur ist ein Held, der wie ein kleiner Junge wirkt und im Verlauf der Handlung das Herz eines schönen, selbstbewussten Mädchens erobern kann, was umso aufregender ist, da sie am Anfang noch mit Batman geht.

Dieser Held heißt Emmett und ist ein Bauarbeiter, genauer gesagt, die Lego-Figur eines Bauarbeiters. Nach einer Reihe von Zufällen hält ihn eine Untergrund-Gruppe für den "Besonderen", der ihnen in einer Prophezeiung versprochen wurde und der die Welt von dem tyrannischen und autoritären Lord Business befreien soll – die "Matrix"-Trilogie lässt grüßen. Der Rest der Geschichte ist Standard und vorhersehbar, bis es zum Schluss, in den letzten 20 Minuten, dann doch noch zu einer überraschenden Wendung kommt.

Ich kann schlecht beurteilen, wie Kinder diesen Film beurteilen werden. Für Erwachsene ist er ganz amüsant. Sie können sich zum einen über zahlreiche popkulturelle Verweise freuen, die für Kinder zumeist unverständlich bleiben, wie etwa einen Batman, der sich eng an die Interpretation des Fledermaus-Menschen in den Filmen von Christopher Nolan anlehnt, inklusive der durch den Sprachverzerrer gejagten, tiefen Stimme. Zum anderen ist aber auch die ständige Verwandlung der Fahrzeuge, Boote und Fluggeräte schön anzusehen, die sehr an eine Version von "Transformers" für Kinder im Grundschulalter erinnert.

(Fast) alles in diesem Film ist aus Lego gebaut oder soll zumindest so aussehen. Er beginnt in einer Großstadt mit Hochhäusern und vielspurigen, mit Autos verstopften Highways und führt dann über eine Art Monument Valley, das Meer (natürlich mit Piratenschiff) bis hin zu einer Science-Fiction-Szenerie, die aus einem James-Bond-Film der 60er Jahre stammen könnte. Die Aufnahmen entstanden im Stop-Motion-Verfahren, also Bild für Bild, oder tun zumindest so. Bei einigen Szenen auf See, wo sich die Lego-Wellen heben und senken, habe ich jedoch genau wie bei einigen anderen Panoramen Zweifel, ob hier tatsächlich Tausende von Legosteinen verbaut wurden oder ob man nicht einfach auf digitale Tricktechnik zurückgegriffen hat. Den Spaß an den Bildern beeinträchtigt das allerdings nicht. Auch dass die Idee offensichtlich von den Dutzenden von Legofilmen auf Youtube übernommen wurde, spielt keine Rolle. Ich habe den Film übrigens in 3D gesehen, was mal wieder eine unnötige Investition war, denn er enthält keine einzige Szene, in der diese Technik tatsächlich zusätzliche Bildinformationen oder -eindrücke liefern würde.

"The Lego Movie" ist so gestaltet, dass er aussieht, als sei er von Kindern gemacht worden. Das ist originell und trifft vielleicht tatsächlich den Nerv von jungen Zuschauern. Mir sind insgesamt jedoch Filme lieber, denen man anmerkt, dass sie von älteren und erfahreneren Regisseuren gedreht wurden.

"The Lego Movie" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Arnold Schwarzenegger Kill Count

Geschrieben am Dienstag 08 April 2014 um 11:43 von Roland Freist

Aus aktuellem Anlass (in wenigen Tagen läuft mit "Sabotage" der neue Schwarzenegger-Film an) zeige ich diese Woche ein Video, das sämtliche Kills des ehemaligen Gouverneurs von Kalifornien auflistet. Wer nicht die ganzen 28 Minuten durchschauen oder vorspulen will: Die Macher von Auralnauts zählen insgesamt 509 Kills. Am Donnerstag werden vermutlich noch ein paar dazukommen.

Bearbeitet: Donnerstag 10 April 2014 22:14

Filmkritik: "Nymphomaniac Teil 2"

Geschrieben am Freitag 04 April 2014 um 23:10 von Roland Freist

Hey Joe

Für den zweiten Teil von "Nymphomaniac" hatte ich mich innerlich auf den Absturz von Joe (Charlotte Gainsbourg) eingestellt. Schließlich schien sie am Ende von Teil 1 in der Beziehung zu ihrem Jugendfreund und Entjungferer Jerôme (Shia LaBeoef) zu einer gewissen Stabilität gefunden zu haben. Folgerichtig musste es nun abwärts gehen, worauf auch ihr ramponierter Zustand hinwies, als Seligman (Stellan Skarsgård) sie fand. Doch weit gefehlt. Stattdessen ist dieser zweite Teil deutlich leichter und auch heiterer als die Geschichte von Joes Werdegang zur Nymphomanin, was unter anderem damit zu tun hat, dass nun nicht mehr andere unter den Folgen ihrer Taten leiden müssen, sondern fast nur noch sie selbst.

Zu Anfang erfahren wir, dass Joe mittlerweile mit Jerôme zusammenwohnt, der sie tatsächlich liebt und den sie selbst zumindest gern hat. Ihr Leben könnte perfekt sein, wenn sie nicht gleich in den ersten Sekunden des Films ohne erkennbaren Grund ihre Fähigkeit zum Orgasmus verlieren würde. Lust auf Sex hat sie nach wie vor, sogar mehr als je zuvor, doch sie empfindet nichts mehr dabei. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt wird sie ungewollt schwanger mit einem Jungen, den sie nach neun Monaten per Kaiserschnitt zur Welt bringt und Marcel nennt. Eine besonders gute Mutter ist sie ihm allerdings nicht.

Stattdessen startet sie mehrere Versuche, wieder zu einem Orgasmus zu kommen. Jerôme, der weiß, dass seine Freundin eine Nymphomanin ist, lässt ihr dabei weitgehende Freiheit. In einem ersten Anlauf sucht sie sich einen schwarzen Afrikaner aus, den sie auf der Straße gesehen hat. Einem Dolmetscher trägt sie auf, ihn zu fragen, ob er mit ihr schlafen möchte. Das will er, und er bringt auch gleich seinen Bruder mit. Doch in einer wunderbar grotesken Szene bekommen die beiden Männer Streit miteinander, und während Joe ihnen verständnislos zuschaut – sie sprechen eine unbekannte afrikanische Sprache – kommt es zu einem zunehmend wütenden Wortwechsel zwischen den beiden, während sie Joe nicht mehr weiter beachten. Zum Schluss lässt sie die streitenden Brüder mit ihren halb erigierten Penissen einfach im Hotelzimmer zurück.

In einem zweiten Versuch versucht sie es bei einer Art Sadomaso-Therapeuten, der seine Kundinnen verprügelt oder auspeitscht. Bereits die erste Szene in seinem Wartezimmer ist bizarr: Vier Frauen sitzen da, die weder sich noch ihrem Peiniger in die Augen sehen. Alle starren unablässig zu Boden. Als Joe an der Reihe ist und von ihm schließlich als Kundin akzeptiert wird, macht er sie mit seinen Regeln vertraut, die unter anderem das Mitbringen einer eigenen Reitgerte einschließen. Aber auch seine Hiebe auf ihr nacktes Hinterteil lösen bei ihr keinen Orgasmus aus.

Schließlich versucht es Joe noch in der Gesprächsrunde einer Sexualtherapeutin. Nichts hilft. So wechselt sie schließlich den Beruf und wechselt ins Inkasso-Gewerbe, wo sie dank ihres Wissens um die Schwachstellen der Männer schnell erfolgreich ist. Sie beginnt sogar mit der Ausbildung einer Nachfolgerin. Doch dann trifft sie plötzlich wieder auf Jerôme, der sie mitsamt ihrem Sohn zwischenzeitlich verlassen hatte. Und damit beginnt der letzte Akt.

Nach all der Schwermut von "Antichrist" und "Melancholia" und auch des ersten "Nymphomaniac"-Films ist dieser Teil beinahe fröhlich zu nennen. Manche Kritiker vermuteten daher, dass Lars von Trier die Luft ausgegangen sei – er habe den roten Faden seiner Geschichte verloren und stattdessen aneinandergereihte Anekdoten produziert. Da ist auch etwas Wahres dran, denn der Story fehlt über weite Strecken die Tragik, und der Schluss ist einfach nur unbefriedigend. Auf der anderen Seite hat "Nymphomaniac Teil 2" mehr Komik zu bieten als alle Lars-von-Trier-Filme der letzten Jahre zusammen.

Nimmt man beide Teile zusammen, so entsteht ein recht genaues und auch mitfühlendes Portrait einer Sexsüchtigen. Lars von Trier gelingt es, das ganze Dickicht von Männerphantasien und billigen Witzen über Nymphomaninnen zu durchdringen und die über weite Strecken überzeugende Geschichte einer jungen Frau zu erzählen, mit allen Freuden, aber vor allem den Leiden, die ihre Sucht mit sich bringt. Daraus ist kein großer Film entstanden, dazu fehlt ihm die Tiefe, hinzu kommen einige Mängel bei der Konstruktion. So hätte man beispielsweise schon gerne erfahren, wer oder was Seligman eigentlich ist, was in ihm vorgeht, wie er denkt. Etwas überrascht ist man zwischenzeitlich auch, als man erfährt, dass Joe immer noch (oder wieder?) jede Nacht mit einem anderen Mann schläft. Obwohl der Film sehr lang ist, bleiben doch viele offene Fragen. Und der Schluss trägt nicht dazu bei, dass man mit dem Gefühl aus dem Kino geht, Joes Geschichte habe nun, so oder so, zu einem Abschluss gefunden.

"Nymphomaniac Teil 2" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Donnerstag 17 April 2014 23:19

Filmkritik: "Snowpiercer"

Geschrieben am Freitag 04 April 2014 um 11:33 von Roland Freist

Die Bahn kommt

Die Eisenbahn ist das Transportmittel der Zukunft. Das ist eine von mehreren Erkenntnissen, die man aus "Snowpiercer" ziehen kann, dem neuen Film des Südkoreaners Bong Joon-ho ("Mother"). Und es ist beileibe nicht die einzige Überraschung, die er bereithält.

Die Story spielt im Jahr 2031. Vor 18 Jahren hat die Menschheit eine Substanz namens CW-7 in den Himmel geblasen, mit der sie die globale Klimaerwärmung aufhalten wollte. Dabei ist sie allerdings ein wenig über das Ziel hinausgeschossen: Die Erde kühlte sich in der Folge so stark ab, dass die gesamte Oberfläche zu einem Eispanzer gefror. Nahezu sämtliche Pflanzen, Tiere und Menschen starben.

Die vermutlich letzten menschlichen Überlebenden sitzen in einem Zug und umrunden damit die Welt. Konstruiert wurde er von dem Eisenbahnliebhaber Wilford (Ed Harris), der sich damit den Traum eines Luxuszugs für die Reichen dieser Welt erfüllte. Er hat auch den Bau des Schienennetzes vorangetrieben, das nahezu sämtliche Kontinente miteinander verbindet. Zwischen Asien und Nordamerika hat er beispielsweise unter der Beringstraße einen Tunnel gebaut.

Der Zug fährt diese Strecken seit 18 Jahren ohne anzuhalten ab. Er bildet ein geschlossenes Ökosystem und ist gegen die Umwelt isoliert, so dass er sowohl tropischen Temperaturen wie auch arktischer Kälte trotzen kann. Die Nahrung wird in Aquarien und Gewächshäusern an Bord produziert.

Moment: Wenn Sie jetzt sagen, das ist doch Unsinn, dann haben Sie recht. Es wäre tatsächlich eine unglaubliche Verschwendung von Energie und zudem äußerst aufwendig, einen vollbesetzten Zug ständig rund um die Welt zu schicken. Eine feste Siedlung in der Nähe des Äquators würde erheblich weniger Ressourcen verschlingen und zudem die Möglichkeit für Erweiterungen eröffnen. Aber egal. In diesem Film fährt man Zug.

In diesem Zug herrscht eine Klassengesellschaft, wobei sich die erste von zweiten Klasse deutlich stärker unterscheidet als das bei der Deutschen Bahn der Fall ist: Ganz hinten sitzen die Armen dicht gedrängt wie in einem Gefängnis. Dort ist es dreckig und dunkel, kein Fenster lässt Licht herein. Als einzige Nahrung teilen die bewaffneten Wachen Proteinbrocken aus, dunkle, geleeartige Quader, die offensichtlich genauso übel schmecken wie sie aussehen. Jedes Anzeichen von Widerstand wird sofort mit brutalen Strafen erstickt. Von Zeit zu Zeit nehmen die Wachen auf Befehl einer Ministerin Mason (Tilda Swinton) den Frauen ihre Kinder weg.

Eines Tages findet ein Mann namens Curtis (Chris Evans, "Captain America") einen Weg, um die Wachen zu überwältigen und aus dem Gefängniswagen auszubrechen. Zusammen mit den anderen Gefangenen und mit Unterstützung eines Security-Experten (Kang-ho Song) sowie seiner Tochter (Ah-sung Ko) kämpft er sich Wagen um Wagen und von einer Gesellschaftsschicht zur nächsten nach vorn beziehungsweise oben. Aus den Elendsquartieren gelangen sie über die Behausungen der Arbeiter und Bauern sowie der Mittelschicht bis hin zu den Treffpunkten der Schönen und Reichen. Hinter jeder der gepanzerten Waggontüren, die sie öffnen, wartet eine neue Welt mit neuen Überraschungen auf sie. Der Zugführer ganz vorn ist natürlich Wilford, der von den Passagieren eine schon beinahe religiöse Verehrung erfährt und sich auch wie ein Gott aufführt. Der Zug soll damit ein Sinnbild für die menschliche Existenz sein, was auch durchaus funktioniert. Trotzdem bleibt die Frage, warum man sich nach dem Ende der Zivilisation ständig von einem Ort zum nächsten bewegen muss, wenn überall die gleiche, menschenfeindliche Eislandschaft wartet.

Davon einmal abgesehen, ist "Snowpiercer" aber zunächst einmal ein spannender, aufregend inszenierter Actionfilm. Eine Szene spielt komplett im Dunkeln, als der Zug durch einen Tunnel fährt, man hört lediglich die Kampfgeräusche. Ein anderes Mal, in einer langgestreckten Kurve, ergibt sich ein Duell zwischen Curtis und einem Killer, die sich durchs Fenster zwischen vorderem und hinterem Zugteil ins Visier nehmen. Man spürt in den Bildern und der blutigen Ästhetik der Kämpfe die Innovationskraft des neuen koreanischen Kinos, zu dessen wichtigsten Regisseuren Bong Joon-ho gehört.

"Snowpiercer" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Donnerstag 12 März 2015 22:20

Meine Lieblingsfilme 2013

Geschrieben am Mittwoch 02 April 2014 um 17:46 von Roland Freist

"Her" war der letzte Film, der im Oscar-Rennen noch eine Rolle spielte. Damit ist die Saison 2013/2014 abgeschlossen, und ich kann mich an die Liste meiner Lieblingsfilme machen. Wegen starker Arbeitsbelastung habe ich im vergangenen Jahr leider viele Titel verpasst, die ich gerne gesehen hätte. Dazu zählen etwa "Dallas Buyers Club", "Frances Ha" oder auch "Before Midnight". Die folgende Liste ist also keinesfalls eine Aufstellung der besten Filme des Jahres, sondern tatsächlich einfach nur meine persönliche Hitparade.

"Nebraska"

Mein Film des Jahres. Ein wunderbarer kleiner Film, in Schwarzweiß gedreht, der dank hervorragender Darsteller, viel Humor und einer überzeugenden Story ein Meisterwerk geworden ist.

"Gravity"

Die Szenen vom Aufprall der Trümmerteile auf das Space Shuttle und von dem anschließenden Chaos mit der wild herumgeschleuderten Sandra Bullock sind auch beim Schauen der DVD immer noch atemberaubend. Die Bilder dieses Films, die Perfektion, mit der hier gearbeitet wurde, machen "Gravity" schon heute zu einem der Meilensteine des Kinos.

"Inside Llewyn Davis"

Wenn man den Humor der Coen-Brüder mag, dann gefällt einem auch dieser Film. Ich mag ihn.

"The Wolf of Wall Street"

Scorsese hat "The Wolf of Wall Street" gedreht wie einen seiner Mafia-Filme und gibt damit einen subversiven Kommentar zum Geschehen an den Aktienmärkten ab. Ist mit drei Stunden allerdings etwas zu lang geraten.

"12 Years a Slave"

Eine realistische und damit zugleich auch brutale Darstellung der Sklaverei in den Südstaaten. Ein großer, aber auch anstrengender Film mit brillanten Schauspielern.

"Only Lovers Left Alive"

Bleibt vor allem wegen seiner wehmütigen Stimmung und der Bilder von zerfallenden Städten und Gebäuden in Erinnerung. Und Tilda Swinton gibt eine tolle Vampirfrau ab.

"Her"

Eigentlich eine einfache, herkömmliche Liebesgeschichte, auch wenn die weibliche Rolle einer Software zufällt. Hat aber mehr Raffinesse, als es der erste Eindruck vermuten lässt.

"Liberace"

Ein toll aufspielender Michael Douglas in einer schwulen Märchenwelt. Hat beim Sehen einfach Spaß gemacht.

"Rush"

Eine kleine Geschichtsstunde über die Formel 1 der 70er Jahre und ihre Fahrer. Im Kern geht es jedoch in erster Linie um den kantigen Charakter von Niki Lauda, der von Daniel Brühl überzeugend verkörpert wird.

"Pacific Rim"

Ein Film für das Kind im Manne. Jeder, der weiß, welchen Spaß man mit Superhelden-Comics und Action-Figuren haben kann, wird diesen Film lieben. Alle anderen werden nur verständnislos schauen.

Meine Lieblingsfilme 2012

Meine Lieblingsfilme 2011

Meine Lieblingsfilme 2010

Meine Lieblingsfilme 2009

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