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Archiv vom März 2015

Filmkritik: "A Most Violent Year"

Geschrieben am Montag 30 März 2015 um 18:27 von Roland Freist

Gibt es ein richtiges Leben im falschen?

Konnte ein Unternehmer in den 70er und 80er Jahren in New York sauber bleiben? In einer Zeit, als die Mafia dort noch ganze Straßenzüge beherrschte, Gewerkschaften kontrollierte und die Verbrechensrate immer neue Höchststände erreichte? Ist es in einer solchen Umgebung möglich, ohne Bestechung und gewalttätige Drohungen erfolgreich zu sein? Das sind einige der Fragen, die "A Most Violent Year" stellt, und sie lassen sich natürlich verallgemeinern.

Abel Morales (Oscar Isaac, "Inside Llewyn Davis") versucht es zumindest. Er hat sich vom Transportarbeiter hochgearbeitet und die Firma seines Schwiegervaters übernommen, die Haushalte in ganz New York mit Heizöl beliefert. Doch in letzter Zeit werden seine Tankwagen immer häufiger überfallen. Die Räuber stehlen das Öl und lassen die Wagen anschließend irgendwo stehen. Für Morales kommt das zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt: Er ist gerade dabei, ein Stück Land zu kaufen, das seine neue Unternehmensbasis werden soll. 40 Prozent der Kaufsumme hat er anbezahlt, der Rest ist innerhalb von 30 Tagen fällig, sonst ist die Anzahlung verloren. Doch seit er regelmäßig beraubt wird, macht er Verluste.

Da bei den Überfällen immer wieder die Fahrer der Tankwagen verletzt werden, verlangt die mächtige Transportarbeiter-Gewerkschaft in Gestalt ihres Chefs Bill O‘Leary (Peter Gerety), dass Morales sie mit Revolvern ausrüstet. Doch davon will dieser nichts hören. Als sich die Fahrer mit Hilfe der Gewerkschaft selbst bewaffnen, kommt es zu einem Zwischenfall, bei dem der junge, engagierte Julian (Elyes Gabel) sich mit der Waffe gegen die Angreifer wehrt. Als wegen des Schusswechsels die Polizei anrückt, flüchtet er gemeinsam mit dem Gangster. Der Fall macht Schlagzeilen, woraufhin die Bank Morales das Darlehen verweigert, mit dem er die Restsumme für das Grundstück bezahlen wollte. Seine Frau Anna (Jessica Chastain) drängt ihn, die Hilfe ihrer kriminellen Familie anzunehmen. Ein Staatsanwalt (David Oyelowo, "Selma"), der die mafiösen Verstrickungen des Transport-Gewerbes aufklären soll, ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Die Lage spitzt sich immer weiter zu.

Die ganze Zeit erwartet man, dass es zu der gewalttägigen Explosion kommt, die der Titel des Films anzukündigen scheint. Ohne dass es explizit ausgesprochen wird, scheint die Lösung von Morales' Problemen in ungesetzlichen Maßnahmen zu liegen. Seine gesamte Umgebung, inklusive seines Anwalts (Albert Brooks), gibt ihm mehr oder weniger deutlich zu verstehen, dass es anders wohl nicht gehen wird. Zumal sich herausstellt, dass alle Personen um ihn herum sich bereits strafbar gemacht oder ihn zumindest hintergangen haben, seine Ehefrau inklusive. Der Film zeigt, wie Morales dennoch und zunehmend verzweifelt versucht, seine Vorstellung von einem sauber geführten Unternehmen durchzusetzen.

Der Regie von J. C. Chandor ("Margin Call", "All is Lost"), der auch das Drehbuch geschrieben hat, ist es zu verdanken, dass aus "A Most Violent Year" keine Parabel mit Holzhammer-Moral geworden ist. Dazu sind die Figuren zu differenziert gezeichnet, vieles spielt sich in einer Grauzone zwischen Recht und Unrecht ab. Man sieht, wie Abel Morales um seine Überzeugung und sein Bild von einem seriösen Geschäftsmann kämpft, wie er mit den Versuchungen kämpft, die wegen seiner ständig dramatischer werdenden Lage immer verlockender werden. Er bemüht sich, diesen Geist auf seine Angestellten zu übertragen, und muss mit ansehen, welche furchtbaren Auswirkungen das hat. Oscar Isaac stattet diesen Mann mit einer kalten Entschlossenheit aus, die manchmal etwas Rätselhaftes bekommt. Müsste er nicht irgendwann ausrasten? Jessica Chastain gibt an seiner Seite eine hervorragende Tochter aus kriminellen Kreisen ab, die ihrem Mann recht deutlich zu verstehen gibt, dass sie ein Scheitern seiner Unternehmer-Karriere nicht akzeptieren wird.

Die Gewalt in "A Most Violent Year" ist eher unterschwellig, ständig präsent, doch sie wird nie exzessiv zelebriert. Dies ist kein blutiger Film, brutale Szenen bleiben dem Zuschauer weitgehend erspart. Er steht in der Tradition von Scorseses oder Coppolas New Yorker Gangsterfilmen aus den 70er Jahren, zeigt jedoch einen Mann, der um jeden Preis verhindern will, dass das dort geschilderte Milieu Gewalt über sein Leben bekommt.

"A Most Violent Year" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Mittwoch 02 Dezember 2015 18:10

Filmkritik: "Shaun das Schaf – Der Film"

Geschrieben am Sonntag 22 März 2015 um 17:33 von Roland Freist

Shaun in der großen Stadt

Seit seinem Debüt im Jahr 1995 in "Wallace & Gromit unter Schafen" hat Shaun eine beeindruckende Karriere als Hauptdarsteller einer nach ihm benannten Fernsehserie hingelegt. Rechtzeitig zu seinem 20-jährigen Jubiläum hat ihn das britische Studio Aardman Animation nun endlich zum Star seines eigenen Kinofilms gemacht. Und auch wenn sich das Muster der Gags eng an die populären TV-Clips hält, ist es doch gelungen, nicht nur eine zusammengestückelte Folge von Miniepisoden zu produzieren, sondern eine große, zusammenhängende Geschichte zu erzählen.

Shaun lebt bekanntlich dort, wo andere Leute Urlaub machen, nämlich in der schönen, grünen Landschaft des südlichen England. Doch sind er und die anderen Schafe der täglichen Routine auf dem Hof überdrüssig und beschließen, einen Tag wegzufahren und Urlaub zu machen. Doch der Plan, mit dem sie den Herrn ihrer kleinen Welt und Hund Bitzer austricksen wollen, geht schief: Der Wohnwagen, in dem die Schafe den Bauern eingeschläfert haben, rollt den Berg hinab und landet schließlich in der nahen Großstadt, wo der Farmer bei einem Zusammenstoß mit einer Straßenlaterne das Gedächtnis verliert und anschließend orientierungslos durch die Straßen läuft. Die Schafe machen sich zusammen mit Bitzer auf die Suche nach ihm, werden jedoch bald von einem finsteren Tierfänger verfolgt. Wie sie anschließend versuchen, sich in Kleidung, Verhalten und nicht zuletzt Frisuren an die Menschen anzupassen, um möglichst nicht aufzufallen, das bringt einige der großen, komischen Momente dieses Kinojahres hervor.

Eine der besten Entscheidungen beim Entwerfen von Shauns Welt war es, auf jedes gesprochene Wort zu verzichten. Die Tiere können sich zwar sprachlich verständigen – man sieht die Schafe oft beisammen stehen und sich beraten –, doch man hört kein Wort. Auch der namenlose Bauer gibt nur eine Art Grummeln von sich. Tatsächlich steht "Shaun das Schaf" in der großen Tradition der Stummfilm-Komödie und nutzt geschickt und sehr effektiv viele Elemente, die ursprünglich von Chaplin oder Laurel und Hardy entwickelt wurden. Man denke nur an das augenrollende Seufzen von Shaun oder an seine Mimik, wenn er überlegt. Auch viele Slapstick-Szenen von Serie und Film lassen sich direkt auf Vorbilder aus der Stummfilm-Ära zurückführen. Dabei handelt es sich allerdings keinesfalls um Kopien. Da die Hauptfiguren Tiere sind, die ganz eigene Wünsche und Probleme haben, entsteht noch einmal eine zusätzliche Humorebene, auf der sich die Macher von Aardman mit viel Spaß und Freude am Detail austoben.

"Shaun das Schaf" bringt die Qualitäten der Fernsehserie 1:1 auf die Kinoleinwand. Der Film ist witzig, perfekt animiert und erzählt eine dramaturgisch gut aufgebaute Geschichte. Er ist damit einer der Favoriten für den Oscar als bester animierter Spielfilm des Jahres.

"Shaun das Schaf – Der Film" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Eine Ode an "Chinatown"

Geschrieben am Sonntag 15 März 2015 um 11:51 von Roland Freist

Das folgende Video des Filmkritikers Jim Emerson fasst einige der stilistisch beeindruckendsten Szenen von Roman Polanskis Meisterwerk "Chinatown" zusammen und zeigt noch einmal die ganze Brillanz dieses Films, das Spiel mit Spiegeln und Spiegelungen, Fotographien und Rahmen, Fenstern und Hauseingängen, Licht und Schatten. Untermalt sind die Bilder natürlich mit dem jazzigen Soundtrack von Jerry Goldsmith. "Chinatown" läuft heute Abend um 20.15 Uhr auf Arte. Vorsicht: Das Video enthält Spoiler!

Bearbeitet: Sonntag 15 März 2015 16:16

Meine Lieblingsfilme 2014

Geschrieben am Donnerstag 12 März 2015 um 22:04 von Roland Freist

Auch dieses Jahr orientiert sich diese Liste an der Oscar-Saison. Berücksichtigt habe ich also alle Filme, die noch 2014 in den USA angelaufen waren und damit zumindest theoretische Chancen auf eine Auszeichnung gehabt hätten.

"The Imitation Game"

Großes Kino. Einige Parallelen zu "The King’s Speech" sind nicht zu übersehen, der Film endet jedoch nicht mit einem Triumph, sondern mit einer Tragödie. Die Geschichte von einem der größten Mathematiker des 20. Jahrhunderts, der einen wichtigen Beitrag zum Sieg über Hitler-Deutschland leistete und nach dem Krieg wegen seiner Homosexualität von der Gesellschaft verstoßen wurde, musste endlich einmal erzählt werden. Tolle Leistung von Benedict Cumberbatch, auch Keira Knightly ist sehr gut.

"Grand Budapest Hotel"

Wes Andersons Version eines Hollywood-Films ist rasant erzählt, grellbunt und ausgezeichnet besetzt. Ich mag seine früheren Filme lieber, muss aber zugeben, dass dieser Regisseur auch mit einem größeren Budget gut umgehen kann.

"Boyhood"

Zugegeben, den hatte ich unterschätzt. Als er das erste Mal im Kino lief (Anfang 2015 kam er wegen der Oscar-Chancen erneut in den Verleih), hatte ich "Boyhood" daher nicht gesehen. Erst vor einigen Wochen lieh ich ihn mir über den Google Play Store aus und muss jetzt sagen, dass diese Langzeit-Beobachtung einer Jugend zum Besten gehört, was im letzten Jahr erschienen ist.

"Foxcatcher"

Ein schöner, ruhiger Film über das Dreiecksverhältnis zwischen zwei Ringern und ihrem reichen Sponsor, toll gespielt von Steve Carell.

"Gone Girl"

Der Psycho-Thriller von David Fincher hat den Reiz einer Achterbahnfahrt mit immer wieder neuen Drehungen und Wendungen.

"Interstellar"

Endlich nimmt ein Science-Fiction-Epos die Relativitätstheorie mal ernst. Im Rückblick muss ich jedoch sagen, dass mir der Film insgesamt etwas zu blass ausgefallen ist.

"Inherent Vice"

P. T. Anderson verdient viel Respekt für den Mut, einen Pynchon-Roman zu verfilmen. Er überträgt die Qualitäten der Bücher auch recht gut auf die Leinwand. Ich habe mich vor allem über den typischen, skurrilen Pynchon-Humor gefreut.

"Snowpiercer"

Kraftvolles koreanisches Kino, ein Film über einen Zug, der für die Fahrgäste die Welt bedeutet. Glänzt mit tollen visuellen Ideen, ist jedoch ein wenig zu parabelhaft geraten.

"Birdman"

Dieser Film ist nicht einfach nur Kunst, sondern KUNST. Eins der originellsten und interessantesten Werke des Kinojahres, allerdings für meinen Geschmack etwas zu verkopft.

"Guardians of the Galaxy"

Der lustigste Film des Jahres. Natürlich handelt es sich um grellbuntes, niveauloses Popcorn-Kino mit wirrer Story und CGI-überfluteten Bildern. Hat im Kino dennoch Spaß gemacht.

Meine Lieblingsfilme 2013

Meine Lieblingsfilme 2012

Meine Lieblingsfilme 2011

Meine Lieblingsfilme 2010

Meine Lieblingsfilme 2009

Bearbeitet: Freitag 13 März 2015 12:03

V for Varoufakis

Geschrieben am Samstag 07 März 2015 um 11:32 von Roland Freist

Jan Böhmermann macht im Moment die einfallsreichste Comedy im deutschen Fernsehen. Sein Neo Magazin Royale, ausgestrahlt donnerstags auf ZDF Neo und freitagnachts im ZDF, bietet zwar nicht durchgehend höchstes Humorniveau, es sind jedoch immer wieder Perlen dabei wie etwa diese Hymne auf den griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis:

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