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Archiv vom März 2014

Filmkritik: "Her"

Geschrieben am Freitag 28 März 2014 um 22:35 von Roland Freist

Freundin as a Service

Was unterscheidet den Menschen von einer Maschine, was macht ihn aus? In der Welt der Science-Fiction ist das eine sehr beliebte Frage. Man denke an Filme wie "Blade Runner", wo es darum geht, menschenähnlche Androiden mit künstlicher Intelligenz zu identifizieren, was in der Zukunft nur noch Spezialisten wie Rick Deckard möglich ist. Oder der zweite "Terminator"-Film mit dem inneren Monolog von Sarah Connor, als sie erkennt, dass dieses künstliche Wesen der ideale Vater und Beschützer für ihren John wäre. Aber auch Titel wie "Der 200 Jahre Mann" mit Robin Williams oder Spielbergs "A. I.": Sie alle suchen nach dem Unterschied zwischen Menschen und intelligenten Maschinen – und versuchen sich damit natürlich gleichzeitig an einer Definition des Menschen. Das Ergebnis ist aus Menschensicht übrigens oft recht frustrierend.

"Her", der neue Film von Spike Jonze ("Being John Malkovich"), stellt sich die gleiche Frage, hat allerdings die Maschine auf den aktuellen Stand der Technik gebracht. Sein künstliches Wesen ist kein Androide mehr, sondern nur noch ein neues und revolutionäres, körperloses Betriebssystem, das einfach nur OS heißt. Es liegt vermutlich auf einem Server irgendwo in der Cloud, also im Internet, und spricht mit seinem Besitzer über dessen Smartphone und eine Freisprecheinrichtung inklusive Ohrstöpsel. Gekauft wurde es von einem Mann namens Theodore Twombly (Joaquin Phoenix), der seit der Trennung von seiner Frau (Rooney Mara) einsam und niedergeschlagen durchs Leben geht. Sein Beruf, er ist Auftragsschreiber für Liebesbriefe (der Film spielt ein paar Jahre in der Zukunft), ist ebenfalls nicht dazu angetan, ihn aufzuheitern. Auch seine beiden einzigen Freunde, das Ehepaar Amy (Amy Adams) und Charles (Matt Letscher), können ihn nicht aufmuntern.

Das alles ändert sich, als Samantha in sein Leben tritt. Samantha ist der Name, den sich sein OS selber gegeben hat, nachdem es einen Ratgeber für die Namensgebung von Babys gelesen hat, "in zwei Hundertstelsekunden", wie es betont. Samantha ist nicht einfach nur eine künstliche Intelligenz, sondern eine komplette künstliche Persönlichkeit. Sie ist fröhlich, optimistisch, zupackend, witzig, intelligent und einfühlsam, kurz, eine Traumfrau. Und es gelingt ihr, Theodore aus seinen Grübeleien herauszuholen und ihn zu ermutigen, wieder am Leben teilzunehmen. Sie lernt ständig dazu, seine E-Mails liest sie ohnehin, sie registriert bei ihren gemeinsamen Gesprächen aber auch sämtliche Informationen, die er über sich preisgibt, alle seine Gefühle und Bedürfnisse.

Schon bald verlieben sich die beiden ineinander. Sie haben sogar Sex miteinander, was man sich vorstellen muss wie eine moderne Form des Telefonsex. Theodore stellt Samantha sogar seinen Freunden vor, die sie nach einer kurzen Eingewöhnungsphase neugierig akzeptieren. In einer Szene kommt es zu einem Picknick mit zwei Arbeitskollegen, wobei die drei Menschen Ohrstöpsel tragen und Samantha die ganze Runde unterhält.

Das hört sich jetzt alles recht spannend an, ist es aber im Film tatsächlich nicht. Denn wenn man einmal davon absieht, dass es sich bei Samantha um kein körperliches Wesen handelt, bleibt nur eine konventionelle Liebesgeschichte mit etlichen kitschigen Elementen übrig. Auch der weitere Fortgang der Story ist recht vorhersehbar: Nach der Sturm-und-Drang-Zeit beginnt die Beziehung zwischen Theodore und Samantha zunehmend schwieriger zu werden, Gewöhnung schleicht sich ein. Sie lernt weiter dazu und beginnt, sich für Themengebiete und Personen außerhalb des Horizonts von Theodore zu interessieren. Sie entgleitet ihm, und er beginnt zu klammern, es ist immer die alte Geschichte. Erst zum Schluss wird es wieder interessant, dann nämlich, als Samantha sich wieder mehr als Computer-Programm präsentiert und weniger als Abbild eines Menschen.

"Her" ist ein sehr poetischer und romantischer Film über zwei, nun ja, Menschen, die sich ineinander verlieben, schließlich aber feststellen müssen, dass sie nicht dauerhaft zueinander passen und sich schließlich trennen. Als nüchterner Betrachter kann man sich natürlich überlegen, ob der menschliche Part in einem solchen Fall vom Hersteller des OS nicht sein Geld zurückfordern könnte. Oder ob man Samantha nicht durch ein Update wieder zurückholen könnte. Das mag zynisch klingen, aber schließlich ist sie ja kein menschliches Wesen, sondern lediglich eine Sammlung von Codezeilen, die an irgendeinem Ort, wo der Strom billig ist, auf einem Server in einem Rechenzentrum installiert sind.

Die Filme von Spike Jonze zeichnen sich dadurch aus, dass seine Geschichten bis zum Ende durchdacht sind. Das gilt auch in diesem Fall, den Oscar fürs beste Drehbuch hat er völlig zu Recht bekommen. Denn "Her" formuliert nicht nur die Frage nach dem Verhältnis zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz, er hält auch eine recht komplexe Antwort bereit.

"Her" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Filmkritik: "Lone Survivor"

Geschrieben am Freitag 28 März 2014 um 22:32 von Roland Freist

Jäger und Gejagte

Wie viele Schmerzen kann ein Mensch aushalten? Offenbar eine ganze Menge, jedenfalls wenn man der Geschichte von "Lone Survivor" glauben mag. Die vier Navy Seals, um die es hier geht, brechen sich unzählige Knochen, fangen sich Granatsplitter ein, bekommen jeder mehrere Schusstreffer ab, in die Füße, Beine, Arme, in die Schulter. Ein Seal erhält einen Kopfschuss, die Kugel bleibt irgendwo in seinem Gehirn stecken. Und doch sind sie immer noch in der Lage weiterzugehen, zu laufen und zu schießen.

Erzählt wird die Geschichte einer Operation der Navy Seals in Afghanistan, so wie sich im Jahr 2007 tatsächlich zugetragen haben soll. Einer der Beteiligten, ein Mann namens Marcus Luttrell, im Film gespielt von Mark Wahlberg, schrieb ein Buch darüber und wurde anschließend durch die amerikanischen Talkshows gereicht. Ihr Auftrag lautete, einen Anführer der Taliban zu töten. Dazu wurden vier Navy Seals in der Nähe des Dorfes abgesetzt, wo er sich aufhielt. Neben Wahlberg sind das Taylor Kitsch ("John Carter") als Michael Murphy, Emile Hirsch als Danny Dietz und Ben Foster als Matt Axelson. Ihr Kommandant in der Basis wird gespielt von Eric Bana.

Zunächst geht alles glatt. Die Seals finden das Dorf und können auch den Taliban identifizieren. Doch eins war nicht einkalkuliert, nämlich dass die Kommunikationskanäle mit ihrer Basis versagen würden. In der Berglandschaft, in der sie sich befinden, bekommen sie weder über das Funkgerät noch über das Satellitentelefon eine Verbindung. Und noch etwas ist nicht einkalkuliert: Sie werden von drei afghanischen Ziegenhirten entdeckt. Es ist klar, dass die sie an die Taliban verraten werden. Doch da die Seals den Zivilisten nichts tun dürfen, lassen sie sie ziehen. Und werden prompt verraten.

Nun kommt der spektakulärste Teil des Films. Er ist unter anderem deshalb so wirkungsvoll, da er mit einer brillant bearbeiteten Tonspur arbeitet – das Krachen der Gewehre, das fiepende Pfeifen der Präzisionswaffen mit den Schalldämpfern, die Explosionen der Granaten und die Aufschreie, wenn einer der Männer getroffen wird, vermischen sich zu einer unglaublich bedrohlichen Soundkulisse. Kurz nach der Begegnung mit den Hirten sind den vier Seals Dutzende von Taliban-Kämpfern auf den Versen, jagen sie mit Gewehren, Panzerfäusten und Granatwerfern den Berg hoch und auf der anderen Seite wieder hinunter. Die Männer sind verletzt, haben klaffende Wunden, sie humpeln, bluten, haben starke Schmerzen. Sie lassen sich meterhohe Felswände hinunterfallen, da sie keine Zeit für einen kontrollierten Abstieg haben. Die Amerikaner sind die besseren Schützen und besitzen die überlegenen Waffen, sie töten Dutzende von Gegnern. Trotzdem werden sie einer nach dem anderen eingeholt und erschossen. Zum Schluss kommt auch noch Pech dazu: Die Basis schickt zwei Transport-Hubschrauber mit Verstärkung los. Doch der eine wird noch vor der Landung von einer Panzerfaust getroffen und stürzt ab. Die zweite Maschine dreht daraufhin ab. Dann ist nur noch Mark Wahlberg übrig, der von einigen Afghanen gefunden und in ihr Dorf gebracht wird. Und damit beginnt dann der dritte und letzte Akt des Films.

"Lone Survivor" ist zum einen natürlich militaristisch, so wie jeder Film militaristisch ist, der den Krieg als spannende Geschichte erzählt. Da spielt es keine Rolle, wie grausam die Verhältnisse sind, es geht um den Thrill, den die Zuschauer durch den Krieg erleben und der ihn attraktiv erscheinen lässt, als wäre es ein großes Abenteuer. Und es geht auch um die alteingesessenen Werte, die mit solchen Filmen vermittelt werden, und in einer zunehmend unübersichtlichen Welt ein Gefühl der Sicherheit bieten. Doch "Lone Survivor" ist kein reiner Kriegsfilm, zutreffender wäre die Einordnung als Actionfilm. Der erste "Rambo"-Streifen zielte in eine ähnliche Richtung.

Regisseur Peter Berg kennt sich mit Militärfilmen aus, sein "Battleship" war ein Stück lupenreiner Propaganda für die Navy. Aber eben auch sehr unterhaltsam. Und das muss man ihm auch bei "Lone Survivor" lassen: Der Mann weiß, wie man Spannung aufbaut und Action in Szene setzt. Dass das alles sehr machohaft ist und die Navy Seals mal wieder sehr unkritisch als eine kernige Truppe von coolen, kraftprotzenden Kerlen verehrt werden – geschenkt.

"Lone Survivor" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Superman mit einer GoPro

Geschrieben am Freitag 28 März 2014 um 22:30 von Roland Freist

Eine GoPro ist eine kleine, mobile Kamera, die sich gut an einem Helm oder per Halteband direkt am Kopf anbringen lässt. In diesem Video haben die Youtube-Regisseure von Corridor Digital damit einen typischen Arbeitstag von Superman aufgezeichnet.

Filmkritik: "Grand Budapest Hotel"

Geschrieben am Donnerstag 06 März 2014 um 22:09 von Roland Freist

Irgendwo in Osteuropa

Noch nie gab es bei einem Wes-Anderson-Film so viel zu lachen. Auch in der Vergangenheit waren seine Werke schon komisch, aber mehr in dem Sinne, dass man mit einem breiten Grinsen im Kino saß und sich über die skurrilen Figuren und ihre Dialoge, die bizarre Handlung und die ständige, feine Gratwanderung zwischen Witz und Pathos freute. In "Grand Budapest Hotel" dagegen hat der Regisseur viel Slapstick eingebaut und geht zudem bei der Handlung ein vergleichsweise hohes Tempo. Und das funktioniert erstaunlicherweise prächtig.

Die Geschichte beginnt Mitte der 80er Jahre in einem alten, ehemals luxuriösen Hotel in einem osteuropäischen Land namens Zubrowka. Nebenbei bemerkt: Selten zuvor wurde der typisch sozialistische Mix aus grellbuntem, billigem Plastik-Interieur und schöner, alter Kurhotel-Architektur so perfekt getroffen. Unter den wenigen Gästen befindet sich ein Schriftsteller (Jude Law), der mit einem der anderen Gäste (F. Murray Abraham) ins Gespräch kommt, einem Mann, den ihm der Concierge als Besitzer des Hotels gezeigt hatte, der jedoch immer nur ein kleines Einzelzimmer ohne fließendes Wasser bucht.

Bei einem gemeinsamen Abendessen erzählt ihm der Hotelbesitzer, sein Name ist Zéro Moustafa, seine Geschichte. Er fing in den 30er Jahren als Lobby Boy im Hotel an, das damals eine der feinsten Adressen Europas war. Schon bald nahm ihn der Concierge unter seine Fittiche. M. Gustave (Ralph Fiennes) war eine Berühmtheit in seinem Beruf, nicht zuletzt deswegen, weil er reihenweise blonde, ältere Frauen verführte, die im Hotel zu Gast waren. Eine davon (Tilda Swinton) hatte es ihm besonders angetan. Als sie starb, machte er sich zusammen mit Zéro auf den Weg zur Trauerfeier und erfuhr bei der Testamentseröffnung, dass sie ihm ein wertvolles Gemälde vermacht hatte. Damit jedoch zog er den Neid ihrer Verwandtschaft auf sich. In der Folge entwickelte sich eine verwickelte Kriminalgeschichte, in deren Verlauf mehrere Menschen ermordet wurden, Gustave zeitweise ins Gefängnis musste, dort jedoch wieder fliehen konnte und schließlich nach einer wilden Verfolgungsjagd mit Skiern und Schlitten gemeinsam mit Zéro den Mörder schließlich zur Strecke brachte.

Wes Anderson inszeniert diese Geschehnisse mit viel schwarzem Humor und dem für ihn typischen Sinn für die kleinen Details. Auch sonst sind alle seine bevorzugten Stilmittel wieder da, die leuchtenden Farbflächen, die zentrierten Blickwinkel auf Gebäude, Türen, Wege, die seitwärts gleitenden Kamerabewegungen. Es ist ein typischer Anderson-Film, und doch ganz anders als seine Vorgänger, mit viel mehr Dynamik und einem weitgehenden Verzicht auf ruhige, meditative Momente. Die kindliche Freude an den kleinen, nebenbei erzählten Anekdoten, die die früheren Titel auszeichnete, wird zurückgedrängt durch eine spürbare Begeisterung beim Erzählen einer mit absurden Ereignissen vollgepfropften Geschichte. Man könnte das bedauern, wenn denn dieser neue Film nicht so toll wäre.

Zu der hohen Qualität trägt auch das erstklassige Schauspieler-Ensemble bei, das sich hier versammelt hat. Neben den bereits Genannten treten auch noch Mathieu Amalric ("Ein Quantum Trost"), Adrien Brody, Willem Dafoe, Jeff Goldblum, Harvey Keitel, Edward Norton, Tom Wilkinson, Owen Wilson, Saoirse Ronan ("Wer ist Hanna?"), Jason Schwartzman und natürlich Andersons Stamm-Schauspieler Bill Murray auf. Kaum jemand von ihnen ist jedoch länger als ein paar Minuten zu sehen. Die beiden Hauptdarsteller jedoch, Ralph Fiennes und Tony Revolori, der den jungen Zéro spielt, tragen mit ihrer reduzierten Gestik stark zur Wirkung des Films bei.

Wes Anderson war bislang ein Nischen-Regisseur, der kleine, feine Filme für Kenner und Fans machte. Doch jetzt spielt er jetzt in der Oberliga mit. Ich bin mir noch nicht sicher, ob mir das wirklich gefällt – ich habe verschrobene Werke wie "Die Tiefseetaucher" oder "Moonrise Kingdom" sehr gemocht. Zwar hat auch "Grand Budapest Hotel" kein Blockbuster-Budget, doch Stil und Machart zeigen das Maß an Selbstbewusstsein, das einen Regisseur auch für große Hollywood-Produktionen interessant macht. Es ist jedoch zu hoffen, dass Anderson eigensinnig genug ist, um den Verlockungen der großen Studios zu widerstehen.

"Grand Budapest Hotel" in der IMDB

Der deutsche Trailer:

Bearbeitet: Donnerstag 06 März 2014 22:43

Die Oscar-Verleihung in weniger als zwei Minuten

Geschrieben am Dienstag 04 März 2014 um 11:14 von Roland Freist

Die Oscar-Zeremonie war in diesem Jahr ging in diesem Jahr routiniert und ohne große Höhepunkte über die Bühne. Die Scherze von Moderatorin Ellen DeGeneres waren eher harmloser Natur, ganz im Gegensatz zu den bösen Sticheleien von Tina Fey und Amy Poehler bei den Golden Globe Awards. Am meisten Aufsehen erregten noch ihre diversen Selfies, die zeitweise Twitter in die Knie zwangen, und die Pizzabestellung für die Stars. Die Highligts passen in ein Video von weniger als zwei Minuten Länge:

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