Geschrieben am Mittwoch 29 Februar 2012 um 11:32 von Roland Freist
Am Tag nach der Oscar-Verleihung präsentierte US-Talkmaster Jimmy Kimmel
in seiner Sendung "Jimmy Kimmel Live" den Trailer für einen Film namens
"Movie: The Movie". Es ist eine wüste Mischung aus nahezu allen
bedeutenden Genres, gespielt von dem wohl besten Cast der
Filmgeschichte, darunter Tom Hanks als Roboter-Rechtsanwalt, George
Clooney, Meryl Streep, Jessica Alba, Ryan Philippe, Charlize Theron,
Kate Beckinsale, Martin Scorsese und so weiter und so fort. Viel Spaß!
Mittlerweile gibt es sogar ein Making of von "Movie: The Movie":
Geschrieben am Montag 27 Februar 2012 um 17:36 von Roland Freist
Nachdem die Veranstaltung in den vergangenen beiden Jahren an schlecht
aufeinander eingespielten (Steve Martin und Alec Baldwin) und völlig
ungeeigneten (Anne Hathaway und James Franco) Moderatoren litt, setzte
die Academy dieses Jahr wieder auf die bewährten Dienste von Billy
Crystal. Allerdings nicht ganz freiwillig – eigentlich wollte man es
dieses Jahr mit Eddie Murphy probieren, der dann jedoch absagte, weil
man seinem Kumpel Brett Ratner (der Regisseur von "Rush
Hour") die Produktion der Sendung abgenommen hatte, nachdem er
sich im Vorfeld zu einer flapsigen, angeblich schwulenfeindlichen
Bemerkung hatte hinreißen lassen ("Proben ist was für Schwuchteln").
Schade eigentlich, denn Eddie Murphy war früher ein ausgezeichneter
Standup-Comedian. Ich hätte gern gesehen, wie er diesem Abend seinen
Stempel aufgedrückt hätte.
Billy Crystal machte seine Sache natürlich nicht schlecht. Er übernahm
die Moderation dieses Jahr bereits zum neunten Mal und hatte daher die
notwendige Routine im Rücken, um die Veranstaltung souverän über die
Bühne zu bringen. Er war witzig, durchaus auch spontan und wie immer
leicht ironisch. Aber trotz seiner gefärbten Haare sah man ihm an, dass
er nicht mehr der Frischeste ist. Crystal wird in ein paar Tagen 64, da
sind andere Arbeitnehmer längst in Altersteilzeit. So wurde es dann eine
eher laue und mittelmäßige Veranstaltung ohne große Überraschungen.
Keiner fiel aus der Rolle, Skandale blieben aus. Die Dankesreden waren
ausnahmsweise wirklich einmal angenehm kurz, es gab Tränen (Octavia
Spencer bei Entgegennahme des Oscars für die beste Nebendarstellerin in "The
Help"), einige ansatzweise witzige Auftritte (Jean Dujardin,
Meryl Streep) und in der Halbzeitpause einen guten, wenn auch nicht
sensationellen Auftritt vom Cirque de Soleil.
Die großen Abräumer waren wie erwartet "The
Artist" (fünf Oscars für die beste Regie, den besten Film, den
besten Hauptdarsteller, die beste Originalmusik und die besten Kostüme)
und "Hugo
Cabret" (ebenfalls fünf Oscars für die beste Kamera, die besten
visuellen Effekte, die beste Art Direction, das beste Sound-Editing und
den besten Soundmix). Ich hätte die beiden "großen" Oscars, also Film
und Regie, ebenfalls an "Hugo Cabret" und Martin Scorsese gegeben, da
der Film im Unterschied zu "The Artist" mit seinem Einsatz der
3D-Technik zukunftsweisend ist. Aber sei's drum. Insgesamt ging die
Verteilung der Preise in Ordnung. Und die Tatsache, dass die Academy
zwei sehr gewagte und mutige Filmprojekte – einen schwarzweißen Stumm-
und einen intelligenten 3D-Film – belohnt hat, macht Hoffnung für die
nächsten Kinojahre.
Geschrieben am Montag 27 Februar 2012 um 14:22 von Roland Freist
Hausmeister in Not
Das Beste, was man über "Safe House" sagen kann, ist, dass der Film
praktisch fehlerfrei ist. Die Handlung ist klar und nachvollziehbar, die
Figuren tun das, was sie tun müssen, Schnitt, Kameraführung und Special
Effects sind professionelle Arbeit. Doch das kann nicht darüber
hinwegtäuschen, dass an diesem Film absolut nichts neu, spektakulär oder
auch nur besonders gut ist. Das gilt auch für die Story: Sie führt
mehrere Handlungselemente zusammen, die man so oder so ähnlich schon in
etlichen anderen Filmen gesehen hat. Das muss nichts Schlechtes sein –
besser gut kopiert als schlecht erfunden. Doch macht das den Film auch
sehr vorhersehbar.
Hauptperson ist der junge, unerfahrene CIA-Agent Matt Weston (Ryan
Reynolds), der in Kapstadt als eine Art Hausmeister ein Safe House
bewacht, also ein Versteck für Leute, die für einige Zeit von der
Bildfläche verschwinden müssen. Eines Tages liefert man dort Tobin Frost
(Denzel Washington) ab, einen ehemaligen CIA-Agenten, der sich vor
einigen Jahren selbstständig gemacht hat und sein Geld seither mit dem
Kauf und Verkauf von Geheiminformationen verdient. Er wird verfolgt von
einer Gruppe professioneller Killer, die ihn innerhalb kürzester Zeit
auch im Safe House aufspüren und die Bewacher von der CIA überwältigen.
Nur Weston überlebt und bekommt vom Hauptquartier in Langley den Auftrag
unterzutauchen und auf Frost aufzupassen, bis die Kavallerie in Form
einer CIA-Einheit eintrifft.
Die folgenden Verfolgungsjagden, Schießereien, Explosionen etc. sind mit
hohem Tempo inszeniert und mit wackeliger Kamera und grobkörnigem Film
gedreht, was den Bildern einen harten, realistischen Touch verleiht. Es
gibt professionell gemachte Stunts, Autos überschlagen sich, werden
gerammt, gehen in Flammen auf, man sieht einige schön choreographierte
Häuserkämpfe und eine feine Verfolgungsjagd über die Holz- und
Wellblechdächer eines Slums.
Auch bei den Schauspielern wurde nicht gespart. Denzel Washington reißt
sich in dieser Rolle zwar kein Bein aus, kann sich aber auch dieses Mal
auf seine Ausstrahlung verlassen. Ryan Reynolds bleibt leider blass,
obwohl das Drehbuch genügend Material liefert, um einen glaubwürdigen
Charakter zu gestalten. Mit Vera Farmiga, Brendan Gleeson und Sam
Shepard sind auch die wichtigsten Nebenrollen ausgezeichnet besetzt.
Als Jugendlicher hätte ich "Safe House" vermutlich richtig cool
gefunden. Im Alter von 13, 14 Jahren hätten meine Freunde und ich alles
getan, um an der Kinokasse als 16-Jährige durchzugehen und diesen Film
sehen zu können. Und wir hätten ihn geil gefunden, wegen der rasanten
Verfolgungsjagden, der Action und den zahlreichen Feuerduellen. Doch
wenn man schon einige andere Action- und Agententhriller gesehen hat,
erkennt man die Versatzstücke wieder, aus denen der Film aufgebaut ist.
"Safe House" enthält leider keine Idee, keine besondere Szene, wegen der
man ihn in Erinnerung behalten würde. Heute komme ich daher aus dem
Kino, denke "naja, war okay" und bin zufrieden, dass ich mich in den
zwei Stunden wenigstens nicht gelangweilt habe.
Geschrieben am Freitag 24 Februar 2012 um 11:24 von Roland Freist
Die Schönheit der Kleinstadt
Mavis Gary (Charlize Theron) war einst das begehrteste Mädchen der
Highschool, blond, cool, verführerisch, männermordend. Heute ist sie 37,
trägt billigen Schmuck und wacht an jedem einzelnen Tag, den der Film
beschreibt, verkatert, in voller Montur und mit verschmiertem Makeup
auf. Nur mit großen Injektionen von Cola Light schafft sie es zum
nächsten Fastfood-Laden, dann kann der Tag beginnen. Sie lebt in
Minneapolis in einem kleinen Apartment und schreibt Kitschromane für
"young adults", junge Erwachsene. Eines Tages erhält sie eine E-Mail
ihres Highschool-Freundes Buddy Slade (Patrick Wilson), der in diesem
Rundschreiben die Geburt seiner Tochter bekanntgibt. Mavis macht sich
auf den Weg nach Mercury, ihrem Heimatort, wo Buddy mit seiner Frau
immer noch lebt. Sie hat den völlig wirren Plan, Buddy aus seinen
bürgerlichen Fesseln zu lösen, wieder für sich zu gewinnen und mit ihm
zusammen nach Minneapolis abzuhauen. Die Beiden haben sich seit Jahren
nicht gesehen, trotzdem ist sie überzeugt davon, dass dies das Beste für
ihn ist.
Angekommen in Mercury, begegnet sie ihren alten Mitschülern, und
natürlich wird sie von nahezu allen Frauen gehasst. Die Abende verbringt
sie oft mit Matt Freehauf (Patton Oswalt, der Spence aus "King
of Queens"), der als Jugendlicher brutal zusammengeschlagen
wurde, weil man ihn für schwul hielt. Seitdem braucht er zum Gehen eine
Krücke, sein Penis ist verkrüppelt. Matt ist physisch behindert, Mavis
hat psychische Probleme. Zusammen trinken sie Bourbon, in großen Mengen,
vor allem sie schüttet den Schnaps ohne zu zögern wasserglasweise in
sich hinein. Matt versucht ihr beizubringen, dass ihr alter Schwarm
Buddy mittlerweile glücklich verheiratet ist, doch das interessiert sie
nicht. Sie will ihn wiederhaben und mitnehmen. Und während der insgesamt
drei Treffen mit Buddy schaukeln sich ihre Frustrationen und zerstörten
Träume immer weiter auf.
"Young Adult" ist eine Charakterstudie, die Handlung ist in erster Linie
dazu da, den zentralen Charakter vorzustellen und begreifbar zu machen.
Und Charlize Theron macht das ausgezeichnet. Sie zeigt mal wieder, dass
sie eine der besten Schauspielerinnen ihrer Generation ist. Natürlich
ist sie auch in diesem Film eine schöne Frau, doch von ihrem ganzen
Model-Glamour ist nichts mehr zu spüren. Übrig bleibt eine Frau, die
sich nach einer gescheiterten Ehe regelmäßig betrinkt, oftmals zu
auffällige, geschmacklose Kleidung trägt und sich in ihrer Verzweiflung
nach der Welt ihrer Jugend zurücksehnt, die sie als heil in Erinnerung
hat.
Es gibt Anzeichen dafür, dass der Film ursprünglich als Komödie angelegt
war. Regisseur Jason Reitman hat sich für "Young Adult" wieder mit
Diablo Cody zusammengetan, die bereits bei "Juno"
das Drehbuch geschrieben hatte und diesen Film zu einem witzigen,
bewegenden Meisterwerk gemacht hatte. Müde, verkaterte Menschen wirken
immer komisch, und das gilt auch für Mavis. Zum Lachen ist der Film
dennoch nicht.
"Young Adult" krankt ein wenig daran, dass er sich zu sehr auf Mavis
konzentriert. Die Rolle von Patton Oswalt etwa wäre durchaus ausbaufähig
gewesen. Zwar gelingt es Charlize Theron mühelos, die Leinwand jederzeit
zu beherrschen und alle Blicke auf sich zu ziehen. Doch Mavis Gary ist
eine zu zwiespältige Figur, als dass man sich mit ihr identifizieren
könnte, und viele Zuschauer werden sich von ihrem Alkoholismus und der
offen gezeigten Verachtung für Familienleben und die Kleinstadtwelt auch
abgestoßen fühlen. So geht man insgesamt unbefriedigt aus dem Kino, man
hat das Gefühl, einen guten, vielleicht sogar außergewöhnlichen Film
gesehen zu haben, dem jedoch irgendein wichtiger Bestandteil zu fehlen
scheint.
Geschrieben am Samstag 18 Februar 2012 um 10:34 von Roland Freist
Lassie kommt heim
Die erfolgreichste Tierserie aller Zeiten war "Lassie".
Gestartet 1954, brachte sie es auf sagenhafte 19 Staffeln und verschliss
dabei etliche Collie-Darsteller (wobei es sich übrigens fast ausnahmslos
um Rüden handelte, da diese ein schöneres Fell haben). Sie basierte auf
dem Spielfilm "Lassie
Come Home" (deutscher Titel: "Heimweh" beziehungsweise "Lassies
Heimweh") von 1943, in dem eine Familie ihren Haushund aus Geldnot
verkaufen musste, der daraufhin jedoch seinem neuen Besitzer gleich
wieder davonlief und sich allein von Schottland bis zurück nach
Yorkshire durchschlug. Unterwegs erlebte Lassie allerlei Abenteuer mit
wechselnden Besitzern, bis sie zum Schluss wieder in Joes Armen landete.
The End. Die Parallelen zu "Gefährten" sind offensichtlich.
In Steven Spielbergs neuesten Film geht es zwar nicht um einen Hund,
sondern um ein Pferd namens Joey, das jedoch ebenfalls der beste Freund
eines Jungen ist. Albert (Jeremy Irvine) ist der Sohn des armen
englischen Bauern Ted Narracott (Peter Mullan) und seiner Frau Rose
(Emily Watson). Ted hat Joey für die Arbeit auf dem Acker gekauft,
obwohl es sich eigentlich um ein Reitpferd handelt. Dann bricht der
erste Weltkrieg aus, Joey muss aus Geldnot an die Armee verkauft werden,
die ihn mit nach Frankreich nimmt. Dort wird er von deutschen Truppen
erbeutet, gelangt dann in die Obhut eines französischen Bauern und
seiner kleinen Tochter, wird von plündernden englischen Soldaten
mitgenommen und landet schließlich wieder bei Albert. Abspann.
Doch Joeys Odyssee ist lediglich der rote Faden, der durch den Film
führt. Eigentliches Thema ist der Krieg, seine Brutalität und
Grausamkeit. Menschen werden kaltblütig exekutiert, sterben massenhaft
im Maschinengewehrfeuer, erblinden im Senfgas. Es gibt eine Szene mit
einem Angriff aus dem Schützengraben heraus, ein Sturmlauf an
Stacheldraht-Hindernissen vorbei und durch wassergefüllte Bombenkrater,
der Erinnerungen an "Der
Soldat James Ryan" aufkommen lässt. Kameramann war hier wie
damals Jasnusz Kaminski, der bereits seit "Schindlers
Liste" mit Spielberg zusammenarbeitet.
Die Bilder sind eindeutig die große Stärke von "Gefährten". Es ist
Breitwand-Kino, das Spielberg hier zelebriert, perfekt in den Farben und
der Komposition, mit großartigen Landschaftsaufnahmen. Eine der
eindrucksvollsten Szenen kommt ganz zum Schluss, ein Bild wie aus einem
alten Western, mit kleinen, wegen des Gegenlichts schwarz erscheinenden
Gestalten vor einem riesigen, rot und orange gefärbten Himmel.
Die Story hält da leider nicht ganz mit. Man weiß eigentlich von
vornherein wie die Geschichte ausgehen wird, weiß, dass dieser Gaul und
der Junge zusammengehören und daher zum Schluss wieder zueinander finden
werden. Hinzu kommt, dass Kombinationen mit Kindern und Tieren, weil
schon dutzendfach gesehen, immer heikel und hart an der Grenze zum
Kitsch sind, vor allem, wenn der Humor, wie in diesem Fall,
slapstickhaft ist. Dank der tollen Bilder und Spielbergs souveräner
Regie bekommt der Film jedoch noch einmal die Kurve.
Geschrieben am Montag 13 Februar 2012 um 17:02 von Roland Freist
Aus Liebe zum Kino
"Hugo Cabret" ist die große Überraschung des Filmjahres, der erste
3D-Film von Martin Scorsese und zugleich sein erster Kinderfilm. Obwohl:
Wenn man genau hinschaut, ist es zwar ein Film mit Kindern in den
Hauptrollen, und er ist auch durchaus geeignet für Kinder (FSK-Freigabe
ab 6 Jahre), aber ein typischer Kinderfilm ist es eigentlich nicht.
Es geht um einen Jungen, Hugo Cabret (Asa Butterfield), der in einem
Pariser Bahnhof lebt und dort die Uhren aufzieht und repariert. Er ist
ständig in Gefahr, vom Stationsvorsteher (Sacha Baron Cohen) geschnappt
zu werden, der alle elternlosen Kinder einsperrt und ins Waisenhaus
bringen lässt. In seiner Freizeit repariert Hugo einen mechanischen
Menschen, eine Art aufziehbaren Roboter, den sein Vater (Jude Law) einst
in einem Museum gefunden hatte. Im Bahnhof gibt es mehrere Läden, eine
Bäckerei, einen Blumenstand, auch ein Spielwarenhändler (Ben Kingsley)
hat dort sein Geschäft. Zusammen mit dessen Tochter Isabelle (Chloë
Grace Moretz) kommt Hugo dem Geheimnis des mechanischen Menschen auf die
Spur und entdeckt, dass Isabelles Vater, der Spielwarenhändler, früher
ein berühmter Stummfilm-Regisseur war.
"Hugo Cabret" ist gleich in doppelter Hinsicht ein großartiger Film. Zum
einen, weil Scorsese die Faszination zeigt, die vom Kino ausgeht, seine
Fähigkeit, Geschichten zu erzählen und Träume zu erschaffen. In der
Figur des Hugo Cabret steckt sicher auch viel von Scorsese selbst – wenn
der Film etwa zeigt, wie Hugo, verborgen hinter dem Zifferblatt der
Bahnhofsuhr, das Leben in der Schalterhalle beobachtet, die kleinen
Geschichten, die sich jeden Tag am Blumenstand oder vor der Bäckerei
abspielen, dann sieht man den jungen Martin Scorsese vor sich, der am
Fenster steht und auf das Straßenleben in Little Italy heruntersieht.
In der zweiten Hälfte des Films werden Ausschnitte aus frühen
Stummfilmen eingeblendet und von den Figuren rund um Hugo erklärt und
man versteht, warum diese Bilder damals so eine starke Wirkung auf die
Menschen ausübten. Scorsese zeigt beispielsweise den ersten Kurzfilm der
Brüder Lumière, den Zug, der in einen Bahnhof einfährt, und wie die
Menschen vor dem Geschehen auf der Leinwand erschrocken zurückwichen.
Gleichzeitig – und das ist der zweite Grund, warum dies ein toller Film
ist – gleichzeitig feiert Scorsese aber auch den technischen Fortschritt
in Form der 3D-Technik und zeigt ebenfalls einen im Bahnhof ankommenden
Zug, was in 3D einen ähnlichen Effekt auf die Zuschauer hat wie mehr als
100 Jahre zuvor der zweidimensionale Clip der Lumières.
Überhaupt ist die 3D-Technik noch nie so intelligent eingesetzt worden.
Anstatt alberner Effekthascherei mit Gegenständen, die aus der Leinwand
heraus auf die Zuschauer zuzufliegen scheinen, zeigt Scorsese in einer
spektakulären Sequenz, welch atemberaubende Wirkung es hat, wenn man in
3D quasi in die Leinwand hineinfährt, wenn sich die Kamera einen Weg
durch die Menschen in der Schalterhalle bahnt und uns so den Schauplatz
des Geschehens vorstellt. Und: Statt Gegenstände dreidimensional nach
vorne zu holen, so dass sie vor der Leinwand zu schweben scheinen, zoomt
er auf die Gesichter der Personen und verleiht ihnen so eine wunderbar
plastische Gestalt.
An zahlreichen Stellen spürt man, wie der Regisseur voller Neugierde die
Möglichkeiten ausprobiert, die die neue 3D-Technik ihm bietet, die
Effekte, die damit möglich sind – so schwebt beispielsweise während des
gesamten Films ständig etwas in der Luft, außerhalb des Bahnhofs sind es
Schneeflocken, innerhalb des Gebäudes kleine Staubteilchen. Zusammen mit
dem ebenfalls allgegenwärtigen Nebel und dem Dampf und Rauch der
Lokomotiven, entsteht so eine unwirkliche, märchenhafte Stimmung, die
mit 2D-Technik so nicht zu verwirklichen wäre. Gleichzeitig vermeidet er
die Fehler anderer Regisseure und leuchtet die Szenerie so aus, dass
auch durch eine 3D-Brille gesehen alle Details erkennbar bleiben und die
Farben nicht absaufen.
Nach James Camerons "Avatar"
ist Hugo Cabret der erste 3D-Film, der wirklich zählt, der die Technik
nicht nur perfekt einsetzt, sondern sich auch Gedanken über ihren
sinnvollen Einsatz macht. "Hugo Cabret" ist die neue Referenzklasse. Ich
hätte nie gedacht, dass ich das einmal schreiben würde, aber diesen Film
sollten Sie sich auf jeden Fall in 3D anschauen. Aber auch, wenn Sie
sich für die Technik nur wenig interessieren, ist dieser Film einen
Besuch wert. Denn letztlich geht es im Kino immer darum, Geschichten zu
erzählen. Und die Geschichte des Jungen Hugo Cabret und des frustrierten
Stummfilmpioniers Georges Méliès ist eine der besten dieses Kinojahres.
Geschrieben am Freitag 10 Februar 2012 um 16:02 von Roland Freist
"Captain
America" machte letztes Jahr mal wieder deutlich, dass Nazis
immer noch die besten Bösewichter sind, weit vor Schurken mit
Superkräften, Außerirdischen oder Vampiren. Angeregt durch den Film hat Forrest
Whaley eine imaginäre Entscheidungsschlacht zwischen "Captain" Steve
Rogers und einer Gruppe von Hakenkreuz-Trägern gedreht, allerdings mit
seinen ganz eigenen Mitteln – Lego meets Splattermovie. Aber sehen Sie
selbst:
Geschrieben am Freitag 03 Februar 2012 um 17:35 von Roland Freist
Mit Mathe zum Sieg
Es gibt eine Gattung von Browserspielen, die sich allein dem Kauf und
Verkauf von Fußballspielern widmet. Etliche Websites bieten
entsprechende Games an. Immer geht es darum, eine Mannschaft aufzubauen
und mit dem Kauf und Verkauf von Spielern stärker und erfolgreicher zu
machen – auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Genau um dieses Thema geht
es auch in "Moneyball", dem neuen Film von Bennett Miller ("Capote"),
nur dass der Sport hier Baseball heißt.
Er beginnt mit einer Niederlage. Das Team der Oakland Athletics, kurz
Oakland A’s, hat unter seinem Teammanager Billy Beane (Brad Pitt) den
Einzug in die Playoffs verpasst. Oakland ist eine der finanziell
schwächsten Mannschaften der Liga, vergleichbar mit Mainz 05 oder
Gladbach in der deutschen Fußball-Bundesliga. Der Verein muss daher nach
Ende der Saison seine besten Spieler zu anderen, reicheren Clubs ziehen
lassen, die ihnen ein höheres Gehalt zahlen können. Als Ersatz werden
junge Nachwuchsspieler angeworben, von denen man sich erhofft, dass sie
die entstandenen Lücken auffüllen können. Nicht immer gelingt das.
Beane hat keine Lust mehr auf dieses System. Er will die Meisterschaft
und sucht nach neuen Wegen, mit seinem begrenzten Budget Erfolg zu
haben. Da trifft er auf Peter Brand (Jonah Hill), einen jungen, dicken
Nerd, Absolvent der Elite-Uni Yale, der noch nie in seinem Leben
Baseball gespielt hat, aber nahezu sämtliche Spiele der letzten Jahre,
und vor allem die beteiligten Spieler, statistisch analysiert hat. Er
kann mit einem Blick in seine Datenbank genau sagen, welcher Spieler mit
einem Marktwert von X Dollar mit welcher Wahrscheinlichkeit welchen
Spielzug wie oft in der Saison erfolgreich ausführen wird. Gemeinsam
beginnen Beane und Brand ein neues Spiel und nennen es Moneyball: Sie
kaufen und verkaufen Spieler für das Team der kommenden Saison nicht
mehr aufgrund ihrer vermutlichen Entwicklung, sondern stellen die
Mannschaft auf Basis von Brands Daten zusammen. Und es funktioniert:
Zwar rutschen die Oakland A’s zu Anfang der Saison zunächst auf den
letzten Tabellenplatz ab, danach legen sie jedoch mit 20 Siegen in Folge
die längste Serie in der Geschichte des amerikanischen Baseballs hin.
"Moneyball" ist zum einen ein herkömmlicher Sportfilm: Es geht um einen
Underdog, der über sich hinauswächst und plötzlich sogar die Favoriten
schlagen kann. Doch anders als in Klassikern wie "Freiwurf"
oder "Die
Bären sind los" ist es nicht der Zusammenhalt im Team oder
das neue Selbstvertrauen der Spieler, was den Erfolg bringt, es ist auch
nicht ein kauziger, abgehalfterter Trainer, der sich noch einmal
aufrafft und die Mannschaft zum Sieg führt, sondern kalte Mathematik,
gepaart mit einem nüchternen, mitleidlosen Umgang mit den Akteuren auf
dem Feld.
Und das ist das Interessante an diesem Film: Er zeigt den Schacher um
die Spieler als reinen, nicht regulierten Kapitalismus. Die
Transferperiode reicht bis weit in die Saison hinein. So ist es möglich,
dass ein Spieler morgens verkauft wird und am nächsten Tag bereits für
seinen neuen Verein antritt. Auf seine eigenen Wünsche, seine Familie
wird keinerlei Rücksicht genommen. Sein alter Verein sagt ihm, er soll
sich umziehen, drückt ihm noch eine Telefonnummer und ein Flugticket in
die Hand, und das war’s. In langen Sequenzen sieht man, wie Beane mit
den Managern anderer Vereine am Telefon verhandelt. Ein paar Namen
fliegen hin und her, ein paar Zahlen werden genannt, den Rest erledigen
die Anwälte. Der Trainer, hier gespielt von Philip Seymour Hoffman, wird
übrigens nicht gefragt, er muss das Spielermaterial nehmen, das der
Manager ihm vorsetzt.
An keiner Stelle des Films lernen wir auch nur einen der Spieler näher
kennen. Wir werden nur über ihren statistischen Wert informiert. Auch
die Fans spielen in "Moneyball" keine Rolle, sie sind einfach nur eine
große, anonyme Masse ohne Einfluss auf die Vorgänge in ihrer Mannschaft.
Der Film erzählt vom Baseball allein aus Manager-Sicht. Und das ist
erstaunlich spannend.
"Moneyball" beruht auf der wahren Geschichte der 2002er Saison der
Oakland A’s. Billy Beane hat damals mit Hilfe von Peter Brand den
Baseball verändert und die alten Männer entmachtet, die zuvor als
fachkundige Scouts nach neuen Spielern suchten. Es ist eine typisch
amerikanische Geschichte von einem Mann, der neue Wege geht, sich gegen
alle Widerstände durchsetzt und zum Schluss belohnt wird. Diese
altmodische Story ist so stark, dass sie sogar in der drögen Welt der
Baseball-Statistiken funktioniert.
Geschrieben am Mittwoch 01 Februar 2012 um 15:32 von Roland Freist
Wie bereits berichtet,
ist Regisseur David Lynch an einem Kaffeeröster beteiligt, der unter dem
Namen David
Lynch Signature Cup Bio-Kaffee anbietet. Im vergangenen Jahr drehte
er zudem einen sehr seltsamen Werbespot
für die Firma. Jetzt legte er noch einmal nach und präsentierte ein
Video, das zwar ebenfalls meilenweit von der Jacobs-Krönung-Werbung
entfernt ist, verglichen mit dem ersten Film jedoch verhältnismäßig
konventionell wirkt. Die Lichtblitze und undefinierbaren Soundeffekte
sind typisch Lynch und erinnern an seinen ersten Spielfilm "Eraserhead".